App Economy: »Am Ende bleiben die Großen übrig«

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Prof. Dr. Michael Dowling Institut für Innovation und Technology Management an der Universität Regensburg

Die App Economy beschreibt als Begriff das wirtschaftliche Umfeld von Softwareanwendungen für mobile Endgeräte und für daran angeschlossene Dienste. Das iPhone von Apple war 2007 eines der ersten Smartphones, das auf Anwendungen in Form von Apps setzte. Mit dem App Store unter dem iTunes-Dienst etablierte der US-amerikanische Hersteller auch gleich den passenden Marketplace.

Andere Hersteller und Anbieter folgten, wenngleich zunächst eher zögerlich, und entwickelten ebenfalls Betriebssysteme, die für die Nutzung von Programmen ausgelegt sind. So führte Google das Betriebssystem Android ein und Microsoft entwickelte Windows 7 komplett neu.  Auch RIM modernisierte die Blackberry-Plattform, ebenso wie Nokia Symbian. Dass nun dieser neue Trend für die IT-Branche immer wichtiger wird, zeigte auch die im November 2011 veranstaltete Fachkonferenz des Münchner Kreises mit dem Thema »App Economy – Paradigmenwechsel oder Evolution?«.

App Economy Grafik Smartphones
Der Anteil von Smartphones im Mobiltelefonmarkt wächst stark an: Nokia Symbian, Google Android und Apple kommen zusammen auf einen Marktanteil von über 81 Prozent.

Allerdings hat sich noch nicht herauskristallisiert, ob Entwickler, Hersteller und Provider mit ihren App-Angeboten eher mit Werbung und Abonnements oder durch andere Einnahmequellen Erfolg haben werden. Es sprechen jedoch viele Gründe dafür, dass die App Economy in den nächsten Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Unklar ist noch, welche Entwicklungsstrategien und Plattformen, welche Wettbewerber und welche Geschäftsmodelle sich in welchem Umfang im privaten und geschäftlichen Bereich durchsetzen werden.

App Economy Grafik Tablets
Die beliebtesten Betriebssysteme für Tablets sind derzeit Apple iOS, Nokia Symbian und Google Android.

ITespresso.de sprach mit Prof. Dr. Michael Dowling vom Lehrstuhl für Innovations- und Technologiemanagement an der Universität Regensburg.

ITespresso: Herr Prof. Dowling, könnten Sie uns zunächst erklären, was die Fachwelt unter dem Begriff  »App Economy« versteht?

Prof. Dr. Michael Dowling: Mit der App-Economy-Konferenz des Münchner Kreis im November des vergangenen Jahres wollten wir etwas weiter denken, als Apps für Smartphones nur für Vergnügungszwecke zu betrachten. Die meisten Apps, von denen man gehört hat, sind Spiele oder Applikationen zum Abruf medialer Informationen. Unsere These bei dieser Tagung war, dass die Weiterentwicklung dieser Programme auch aufgrund wirtschaftlicher Ziele erfolgt. Der Mehrwert von Apps liegt nicht nur darin, dass ich diese in einen App Marketplace zu einem bestimmten Preis stelle, sondern dass auch Firmen betriebswirtschaftliche Prozesse nicht nur über herkömmliche PC-Netzwerke, sondern auch über Mobilfunknetze abwickeln können. Dieser Aspekt beschreibt also die Verwandlung von Apps zum Vergnügen zu Business-Apps.

Inwieweit wird die Verwendung von Apps in Verbindung mit Social-Web-Anwendungen und mobilen Endgeräten auch die bisher bestehende Arbeitswelt verändern? Und wie schnell werden die Veränderungen sichtbar werden, in zwei oder fünf Jahren?

Die Veränderungen sind schon jetzt sichtbar. SAP bietet zum Beispiel Business-Apps an, die in einzelnen Fällen bis zu 25.000 Euro kosten. Mit diesen lassen sich Geschäftsprozess-Anwendungen mobil abrufen, man braucht also keinen herkömmlichen PC mehr für den Abruf der Daten. Die Entwicklung des Business-App-Bereichs hat schon begonnen.

Worin sehen Sie den Hauptnutzen solcher Business-Apps, insbesondere aus dem Blickwinkel der Anwender?

Der Hauptvorteil liegt darin, dass der Anwender nicht mehr allein auf den PC angewiesen ist. So sind die geschäftsrelevanten Informationen immer direkt abrufbar. Für manche Anwendungen werden aber nur bestimmte Plattformen wie iPad oder andere Tablets sinnvoll sein, da Smartphones wie das iPhone ein zu kleines Display haben. Aber es wird auch Applikationen geben, für deren Nutzung ein Apple iPhone ausreicht. So lassen sich geschäftliche Vorgänge von unterwegs aus abwickeln: Zum Beispiel kann ein Außendienstmitarbeiter bei Kundenbesuchen die Informationen per Tastatur oder Spracheingabe schnell in sein mobiles Gerät eingeben, die dann automatisch an das Firmen-Netzwerk weitergeleitet werden.

Unternehmen können also mithilfe von Apps Ihren Kundenservice wie auch die Kundenloyalität verbessern.

Dies ist schon jetzt möglich, wie zum Beispiel die Consumer-orientierte Anwendung von Lufthansa zeigt. Damit gibt die Fluggesellschaft ihren Kunden die Möglichkeit, an deutschen Flughäfen papierlos einzuchecken. Es erhöht zugleich die Loyalität gegenüber Lufthansa. Der Trend geht auch dahin, dass es immer mehr B-to-B-Anwendungen geben wird, die Transaktionen zwischen Unternehmen ermöglichen.

Welche Auswirkungen wird das starke Wachstum der App Economy für die traditionelle Softwareindustrie haben? Werden sich bei den Softwareherstellern die Geschäftsmodelle verändern?

Die Softwarehersteller denken schon daran, dass es künftig immer mehr mobile Applikationen geben wird. Es wird aber auch neue Anbieter geben. Die Idee von Apps ist es, dass man ein kleines Programm nur für eine ganz spezielle Anwendung entwickelt, anstatt eine PC-basiere Software zu entwickeln. Es gibt auch neue Möglichkeiten für die Anbieter, insbesondere durch App Marketplaces oder Stores. Natürlich stellt sich für solche Distributionswege auch die Frage, wie werde ich bekannt und wie bringe ich Anwender dazu, mein Programm herunterzuladen.


Die Softwareindustrie wird nicht nur durch die App Economy, sondern auch durch Cloud Computing in die Zange genommen. Sind die Apps ähnlich einzustufen wie Cloud-Lösungen?

Mit Apps lassen sich Cloud-Anwendungen mobil machen. Cloud ist davon unabhängig, denn das heißt einfach, ich habe keine Software mehr auf meinem Gerät, sondern ich greife über das Internet auf die Software zu. Das heißt, statt Word auf dem PC zu verwenden, nutze ich ein Programm auf dem Server des Anbieters. Da mobile Geräte nur einen begrenzten Speicherplatz haben, werden für diese auch Cloud-basierte Services verwendet werden. Das erhöht zugleich die Attraktivität von Softwarelösungen. Wenn ich also die App von Lufthansa starte, um nachzuschauen, ob mein Flug pünktlich ist, dann sind die dazu nötigen Daten auch in der Cloud gespeichert. Das heißt also, dass die Datenbanken solcher Anwendungen nicht auf meinem Endgerät gespeichert sind.

Wir sprachen bereits davon, dass sich die Arbeitswelt durch App und Mobilität verändern wird. Wann wird die App Economy die traditionelle Softwareindustrie überholen?

Die App Economy wird ein Teil der Softwareindustrie sein. Diese werden die mobile Ergänzung zu PC-basierten Lösungen sein. Diese Entwicklung wird sich schon so auswirken, dass der Absatz von PC-Lösungen stagnieren und das Wachstum bei mobilen Lösungen zu finden sein wird. Das bedeutet, dass eher die Hardwarehersteller vor größeren Problemen stehen als die Softwareindustrie. Auf der CES in Las Vegas letzte Woche wurde von Intel ein Chip für mobile Geräte präsentiert, der mit Microsoft Windows 7 kompatibel sein soll.

Dr. Michael Dowling iProfessor am Institut für Innovation und Technology Management
Dr. Michael Dowling ist Professor am Institut für Innovation und Technology Management an der Universität Regensburg.

Welche Rolle spielt die Entwicklung von HTML 5 für die Nutzung von Webbasierten Anwendungen?

Wenn ich es richtig verstehe, ermöglicht HTML 5, dass ich keine App mehr brauche, also ich kein Programm mehr auf mein Mobilgerät herunterladen muss. Das heißt, Webseiten sind auch für den mobilen Zugriff optimiert und Inhalte lassen sich über jedes Endgerät öffnen. Um zum Beispiel die elektronische Version einer Zeitung zu bekommen, benötige ich nicht mehr den App Store, sondern kann diese direkt über die Webseite des Anbieters beziehen. Das heißt, dass dann nicht mehr die Kasse bei Apples iTunes klingelt. Das ist also eine Bedrohung für die Betreiber von App Stores.

Wie wird sich der Markt für mobile Betriebssysteme in den nächsten Jahren weiterentwickeln?

Ich denke, es werden am Ende die Großen übrigbleiben, also Apple, Google und Microsoft. Da Nokia auf Windows Mobile umsteigt, wird Symbian in den nächsten Jahren absterben. Was mit Blackberry von RIM passieren wird, ist schwerer abzusehen, jedenfalls war das Playbook ein Flop, dazu kommen Qualitätsprobleme, als letztes Jahr einige Tage das Netzwerk nicht funktioniert hat.

Herr Professor Dowling, vielen Dank für das Gespräch.

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