Der Fall MegaUpload zeigt, dass eine nutzerbasierte Internet-Rechtsprechung notwendig ist

Die Abschaltung von MegaUpload ist kein großer Verlust für die Webgemeinde, aber die Tatsache, dass eine Webseite einfach ohne Weiteres vom Netz genommen werden kann, wirft einige Fragen in puncto Sicherheit auf. Die Gesetze, über die derzeit beraten wird, scheinen die Behörden mehr zu begünstigen als die Internet-Nutzer.
MegaUpload erschien vielen Nutzern aufgrund cleveren Online-Marketings als ein guter Ort, um dort Sicherheitskopien von persönlichen Dateien und Bilder zu lagern oder um sie mit Freunden und Familienmitgliedern zu teilen. Was sie nicht wussten, war, dass ihre Daten zusammen mit illegalem Material gespeichert wurden.
Beschuss durch die eigenen Truppen und Kollateralschäden
Nach dem plötzlichen Verschwinden der Website zusammen mit den gespeicherten Daten ist ein Aufschrei der Empörung aufgebrandet, da manche Nutzer MegaUpload als primären Datenspeicher genutzt haben, nicht nur als Backup-Lösung. Aus diesem Grund gibt es viele Anwender, die Datenverluste erlitten haben, wobei beinahe feststeht, dass diese Daten unwiederbringlich verloren sind, aber falls nicht, dann sind sie zumindest für ein Jahr oder länger nicht zugänglich, bis über den Auslieferungsantrag und die Gerichtstermine für die Anhörung entschieden wurde.
Dass die Website tatsächlich ein zentraler Ort für illegale Machenschaften war, scheint offenkundig aufgrund der Untersuchungen, die Arbor Networks durchgeführt hat. Jose Nazario, einer der leitenden Security-Forscher bei Arbor, schrieb in einem Blogpost, dass nach der Stilllegung der Webseite der globale Internet-Traffic merklich einbrach. Hunderte von Gigabits an Traffic verschwanden unmittelbar nach der Sperrung der Seite – wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass der Download von Filmen und Musik abgebrochen wurde, vermutet Nazario.
Interessanterweise betrafen die Traffic-Änderungen hauptsächlich Europa, es gab einen kleineren, aber trotzdem wahrnehmbaren Rückgang in den USA und so gut wie keine Auswirkungen auf den Asien-Pazifik-Raum.
Da frage ich mich doch, weshalb wir gesetzliche Regelungen wie den Digital Economy Act in Großbritannien oder den unglückseligen Gesetzesentwurf Stop Online Piracy Act (SOPA) in den USA brauchen, wenn im Rahmen internationaler Zusammenarbeit die Gerichte durchaus in der Lage zu sein scheinen, abzuschalten, was sie möchten und wann sie es möchten.
Abgesehen von der Festnahme einiger der Betreiber von MegaUpload in Neuseeland wurden auch die Server in Hong Kong stillgelegt. Sicherlich sollte es Vorschriften darüber geben, wie eine solche Abschaltung durchgeführt werden muss – dies würde auch derartige Aktionen einfacher gestalten. Einfach alle Nutzer daran zu hindern, Zugriff auf ihre Dateien zu erhalten, scheint eine etwas drakonische Maßnahme zu sein und außerdem ungerecht.
Wenn die Server stillgelegt wurden, dann haben die Behörden sicherlich Zugang zu den persönlichen Daten derjenigen, die Dateien auf den Servern abgelegt haben? Wäre es nicht korrekt und fair, diesen Nutzern zu ermöglichen, einen Antrag auf Zugang zu ihren Daten zu stellen und nur denjenigen Nutzern, die illegale Inhalte zur Verfügung gestellt haben, das Leben schwer zu machen?
Niemand ist gefeit
Würde es sich hier um ein von mehreren Unternehmen genutztes Gewerbe- und Bürogebäude handeln, würde dieser Fall ganz anders gehandhabt werden. Es gib keinen Grund, weshalb ein Cloud-Dienstleister keine illegalen Unternehmen beherbergen könnte – es ist sogar wahrscheinlich, dass Drogenkartelle und Mafia-ähnliche Banden Cloud-Technologie nutzen und möglicherweise einer Ihrer Nachbarn sind. Wenn diese zusammen mit seriösen Unternehmen auf einer Server-Farm in der Cloud untergebracht sind, wäre es dann nicht möglich, dass die Bundespolizei eingreift und den Betrieb abschaltet, indem sie die Server beschlagnahmt?
Selbst wenn dies unwahrscheinlich ist, sollte es gesetzliche Regelungen geben, um alle möglichen Szenarien abzudecken, damit alle nachts ruhig schlafen können.
Selbst Großbritannien bleibt von einem Eingreifen seitens der USA nicht verschont, wie die kürzliche Schließung der Webseite TVShack beweist. Es wurden dort Links auf illegale Dateien zum Herunterladen geteilt, was laut britischem Recht kein Verbrechen darstellt, und trotzdem steht dem Betreiber Richard O’Dwyer die Auslieferung bevor. Ein ähnlicher Fall, bei dem es um eine ähnliche Webseite namens TV-Links ging, wurde vor zwei Jahren von einem britischen Gericht abgeschmettert.
Hat sich die Rechtslage seitdem geändert? Nein. Aber die USA beanspruchen das Hoheitsrecht auf länder-unspezifische Domains, wie zum Beispiel .com. Das heißt, dass jedes Unternehmen, das diese Domains nutzt, sich vor den US-Behörden verantworten muss. Diese Tatsache könnte ernsthafte Folgen haben für die Tausenden von Unternehmen, die solche weit verbreiteten Adressen nutzen und für jede Firma, die ihre IT zu Cloud-Dienstleistern mit einer solchen URL ausgelagert hat. Selbst Firmen wie das britische Telekommunikationsunternehmen BT.com befinden sich hier in einer kniffligen Lage – verärgert man die USA, muss man mit entsprechenden Konsequenzen rechnen.
Die dunklen Wolken ballen sich schon zusammen.