Microsoft: Open-Source-Entwicklungen nun in eigener Firma

Microsoft will heraus aus seiner geschlossenen Welt. Windows und Office sind zwar noch immer Closed-Source-Projekte und tragen den Großteil von Microsofts Umsätzen, doch den Aufschwung der Open-Source-Lösungen im Geschäftsbereich hatte der Software-Riese nur als Beobachter miterlebt.
Doch wie so oft beginnt MS mit ein wenig Verspätung, sich peu a peu in weniger erfolgreichen Marktsegmenten einzuschleichen und dabei Standards zu setzen, an denen man am Ende nicht mehr vorbeikommt.
Ende März öffnete MS ein eigenes “Openness”-Blog und begann, Teile der eigenen Entwicklung freizugeben – aktuell werden einige ASP.NET-Komponenten freigegeben. Microsoft hofft, so sein Programmier-Framework bei freien Entwicklern beliebter zu machen.
Diese Woche wurde nun bekannt, dass Microsoft eine Tochterfirma gegründet hat, die sich offenen Projekten widmet. Das Magazin “Wired” veröffentlichte dazu eine Personality-Story über den künftigen Chef der “Microsoft Open Technologies, Inc“). Jean Paoli hatte sich bislang schon in einer eigenen Funktion bei Microsoft um offene Standards gekümmert. Die neue Firma soll nun Microsofts Investitionen in “Interoperability, Open Standards and Open Source” leiten, schreibt Paoli in einem Blogbeitrag dazu, in dem er Pläne in ihren Einzelheiten erläutert.
Paoli war bereits in frühen Tagen an der Schaffung offener Standards beteiligt, allen voran der Beschreibungsspache SGML für technische Dokumente – die später auch von Web-Erfinder Tim Berners-Lee als Grundlage für HTML und von verschiedenen Standardisierungsgruppen als Vorlage für den XML-Standard verwendet wurde.
An diese “First-Mover”-Rolle will Microsoft nun wieder anknüpfen, denn in einigen Bereichen gelang es dem Software-Giganten nicht mehr, selbst Maßstäbe zu setzen.
Reinfall mit offenen Formaten?
Schon 2005 versuchte die Softwarefirma etwa, mit “Open XML” seine eigenen Formate als “offenen” Standard durchzusetzen – mit wenig Erfolg. Die Community, die Microsofts geschlossene Art der Software-Entwicklung nicht mochte, hatte damals schnell reagiert und das “Open Document”-Format entwickelt und die “Document Foundation” gegründet. Es wurde im seinerzeitigen Sun-Open-Source-Projekt “Open Office” auch verwendet und findet im Ableger “LibreOffice” und einigen weiteren offenen Produkten Anwendung. Microsofts “Standard” blieb auf seine Weise offen und verbreitete sich kaum.
Mit der neuen Abteilung für offene Standards, die unabhängig vom Haupthaus agieren und direkter mit der freien Community kommunizieren soll, versucht sich der Software-Riese aus der selbstgeschaffenen Misere des Nicht-Dazugehörens zu befreien.
Das ehemalige “Interoperability”-Team Microsofts wird vom Mutterkonzern abgelöst – kaum bemerkt, hatten dessen Mitarbeiter bereits Code zu zahlreichen Open-Source-Projekten beigesteuert. Wer weiß schon, dass MS zu einem der größten Lieferanten für die Weiterentwicklung des Linux-Codes gehört? Microsoft hatte zudem zu HTML5 der W3C-Oganisation und zu http 2.0 der IETF (Internet Engineering Foundation) wesentlich beigetragen.
Was macht die OpenSource-Tochter?
Zu den Hauptaufgaben des Spin-Offs zählt Jean Paoli nun die Mitbestimmung bei offenen Standards zum Cloud Computing (wie die Standards DMTF und Oasis), die Schaffung von Programmierschnittstellen zu Windows Azure für offene Programmierumgebungen wie Java und PHP oder mobile Datenbankabfragen über das Open-Source-Projekt “jQuery mobile” auf Windows-Phone-Systemen. Viele Open-Source-Entwicklungen, so Paoli, beruhten sogar auf Microsoft-Code, schreibt Paoli in seinem Blogbeitrag: Die Big-Data-Umgebung Hadoop, die Datenbank MongoDB, die Publishing-Systeme Joomla und Drupal und viele andere Projekte liefen bereits auf der bei MS entwickelten Plattform. Der Austausch mit der offenen Entwickler-Community ist dem neuen “President” der Microsoft-Tochter wichtig, und die neue Firma soll neue Wege schaffen, damit besser umzugehen, als es die bisherige Microsoft-Abteilung schaffte.
Die hatte zwar mit ihren “Interoperability Bridges” (Liste hier (links auf der Webseite)) zahlreiche Anbindungen an offene und geschlossene Anwendungen Dritter geschaffen – doch das Einbinden der Entwickler aus der OpenSource-Szene war bislang kaum gelungen.