München: Hauptstadt der Start-ups?

Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf, Leipzig, Berlin, München – welche ist die beste Stadt für junge Unternehmen? Zwischen den Metropolen findet ein mehr oder weniger offener Wettbewerb um den Titel als bester Standort für IT-Unternehmen und Neugründungen statt. Vor allem Berlin und München sehen sich dabei immer wieder in Konkurrenz zu einander und entfachen dabei einen regelrechten “Zickenkrieg” der Großstädte.
Das war auch auf der Veranstaltungsreihe “Isarnetz – Münchner Webwoche” zu spüren. Dabei war im Rahmenprogramm einer Preisverleihung für Start-ups im ehrwürdigen Alten Rathaus am Münchner Marienplatz immer wieder mal ein Seitenhieb auf Berlin zu hören. So etwa von Kurt Kapp, Leiter Wirtschaftsförderung im Münchner Referat für Arbeit und Wirtschaft, bei seinem einleitenden Vortrag.

Speed Dating für Start-ups
Eingeleitet wurde der Abend allerdings nicht mit einer Rede, sondern mit einer Runde Speed Dating, bei der junge und ältere Unternehmerpersönlichkeiten sich unter der Leitung des Organisators des Abends, Thomas Pfeiffer, kennenlernen sollten. Netter Gag, aber die 200 Teilnehmer der Veranstaltung waren dann doch froh, als sie sich wieder setzen durften und der Abend wieder einen konventionelleren Verlauf nahm, mit Vorträgen, einer Podiumsdiskussion und einer schönen Preisverleihung.

Durchaus spannend entwickelte sich die vorgeschaltete Podiumsdiskussion. Diese sollte auch die Frage beantworten, ob München wirklich das “Silicon Valley” Deutschlands ist. “München und das Web – ein perfekter Doppelpass?” lautete das Motto der Diskussion. Darüber sprachen zunächst regionale Wirtschaftsprominenz wie der bereits erwähnte Kurt Kapp und Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern.
Als Vertreter erfolgreicher Start-ups waren geladen: Sina Brübach-Schlickum, Gründerin vom Münchner Coworking Spaces Combinat 56 sowie David Eicher, Geschäftsführer der Webguerillas, einer “Agentur für alternative Werbeformen” sowie Professor Wolf Groß, einer der Gründer und Initiatoren von “Isarnetz”.
Der Moderator war ebenfalls kein Unbekannter in der Internet-Szene: Michael Prätorius, Social-Media-Spezialist und Gründer von Noeo, einer Onlinestrategie-Beratung und Entwicklungsschmiede für Content-Management-Lösungen.
Hohe Mieten, teure Fachkräfte
Als Standort für Start-ups bekam München von den Teilnehmern der Diskussion ein recht gemischtes Zeugnis. Während Kapp die Qualität Münchens als “Premium-Standort” betonte, erinnerte David Eicher an die Schattenseiten. So sei das internationale Flair in München trotz der großen Unternehmen “noch nicht angekommen”. Auch die relativ hohen Lebenshaltungskosten, hohen Mieten”, und die daraus folgenden Schwierigkeiten Arbeitskräfte “günstig einzukaufen”, seien Aspekte, die “nicht unbedingt für München sprechen”, kritisierte der Web-Guerilla.

Bemängelt wurden auch die hohen Mieten für Gewerberäume, die in München erst ab acht Euro pro Quadratmeter zu haben sind. Vielleicht hilft hier ja die Initiative von Sina Brübach-Schlickum, in deren “Combinat 56” Selbstständige jederzeit einen Schreibtisch als Arbeitsplatz mieten können und sei es nur für ein paar Stunden. Auch Besprechungsräume in verschiedenen Größen hat das “Combinat” im Angebot.
Trotz der genannten Nachteile kann sich die Stadt mit den 1,4 Millionen Einwohnern nicht über einen Mangel an Neugründungen beklagen. Nach Zahlen der IHK gab es im vergangenen Jahr immerhin 19 062 Existenzgründungen. Zum Vergleich: Im wesentlich größeren Berlin (3,5 Millionen Einwohner) gab es in den ersten neun Monaten 2011 insgesamt 33 148 Unternehmensgründungen.
Die Isarnetz-Preisträger
Den Höhepunkt des Abends und gleichzeitig der Münchner Webwoche stellte die Preisverleihung des “Isarnetz-Awards” dar.
Auf dem ersten Platz landete das Unternehmen Pockets United. Seine Geschäftsidee: Eine Smartphone-App für Gruppen, die Kosten teilen wollen, beispielsweise die Kosten für eine Taxifahrt. Als Zielgruppe nennt Pockets United vor allem Schüler, Studenten und junge Berufstätige. Aber auch kleine Unternehmen oder Vereine sollen die Apps und ihre virtuellen Geldbörsen nutzen können. Die Nutzung durch Organisationen, Vereine, Clubs, Wohngemeinschaften und kleinen Firmen ist ebenfalls möglich.

Platz zwei und drei belegten Contigua und Lingoking. Contigua hat die App “10stamps” entwickelt, eine Art Stempelkarte für Smartphones. Diese sollen die bei vielen Discountern oder Handelsketten üblichen Rabattkarten wie Payback oder “Treueherzen” ersetzen.
Lingoking schließlich ist eine Onlineplattform für Sprachdienstleistungen, und bietet beispielsweise “Telefondolmetscher in über 45 Sprachen”. Die Website baut dafür Telefonkonferenzen zwischen den internationalen Gesprächspartnern und dem Dolmetscher auf.
An guten Ideen und tatkräftigen Business-Persönlichkeiten fehlt es also nicht. Der Isarnetz-Abend hat jedoch deutlich gezeigt, dass sich viele Unternehmen auch im Web-2.0-Zeitalter noch mit ganz anderen Problemen als Servern, Bandbreite oder Backups herumschlagen müssen. Zum Beispiel mit solchen, die der Standort mit sich bringt.