Smartphone-Launches: Seifenoper für Technikbegeisterte


Ein bisschen traurig werden die US-Technologie-Journalisten schon gewesen sein, als Google seine Produktankündigung im Hafen von New York absagen musste. Schließlich sind für sie, seitdem der Smartphone-Markt der Kulminationspunkt der technologischen Entwicklung zu sein scheint, Neuvorstellungen von Produkten eine spannende Sache: Nachdem sich die Hersteller nicht mehr nach dem Rhythmus der großen Messen richten können, weil alles viel zu schnell geht, zelebrieren sie jeden Launch wie die Ankunft des Messias.
Dementsprechend umfassend ist auch die Berichterstattung: Von der gescannten Einladungskarte – mit der man natürlich auch auf die eigene Bedeutung hinweisen kann – bis zu Äußerungen von Analysten aus der zweiten Reihe, wie das Produkt ihrer Meinung nach aussehen könnte, was es wohl in der Herstellung kosten wird und wie viel der Hersteller dann verlangen will bis hin zu Mutmaßungen über die Provider, die das Gerät wohl führen werden, muss alles fein säuberlich protokolliert und mitgeteilt werden.

Nicht dass man mich hier falsch versteht: Die Kollegen tun das nicht, weil sie nichts anderes könnten oder ihnen das besonderen Spaß macht, sondern einfach, weil es eine große Zahl von Menschen interessiert: Smartphone-Launches sind inzwischen die Seifenopern der Technikbegeisterten.
Mitunter kommt es ja vor, dass eines der Wundergeräte in einer Bar liegenbleibt, von jemandem aus der Produktion unter Lebensgefahr fotografiert wird oder durch einen schusseligen Mitarbeiter beim Anbieter, einem Provider oder einem großen Retailer auch nur für wenige Minuten auf einer Website auftaucht. Dann kann man sich sicher sein, dass irgendjemand, der einen Blog betreibt, einen Screenshot davon erstellt und damit dann weiteres Material in die Gerüchteküche liefert, aus dem die dort beschäftigten Köche ihr nicht immer appetitliches Süppchen kochen.

Apple hat es vorgemacht und alle im Markt versuchen es nachzumachen – manchmal mit mehr, meist mit weniger Erfolg. Meist mit weniger Erfolg, weil die selbst oder von Dritten ernannten Apple-Wettbewerber, für die – abgesehen von Samsung – das Ganze eher ein kostspieliges Hobby als ein nachhaltiges Geschäftsmodell ist, es einfach nicht schaffen, ein Wunschmodell zu definieren und das dann auch zu bauen, sondern sich lediglich auf dem Markt umschauen, ihre Einkaufsbedingungen bei den Zulieferern und Auftragsfertigern prüfen und dann entscheiden, welche Komponenten sich zusammenstöpseln lassen, um einen vorab definierten Preispunkt zu treffen.
Da nutzt dann das große Brimbramborium rund um die Produktvorstellung auch nicht mehr viel: Wenn die Specs nicht stimmen, reicht der Speck nicht, um die Mäuse zu fangen. Um Unzulänglichkeiten zu kaschieren, verlegt sich dann mancher auf Software.
“Sowas ist ja schnell mal programmiert”, denken sich CEO und Chief Marketing Officer bei einem Tässchen Kaffee auf dem Flur, “und kostet auch nicht viel – weniger jedenfalls, als das gute Gorilla-Glas von Corning und die schnellen Chips von Qualcomm.

Aber der Software sieht man dann eben an, dass sie schnell mal programmiert wurde. Wenn es sich gar wie bei vielen Android-Smartphones um eine ganze Oberfläche handelt, die der Hersteller – oder noch schlimmer: ein Provider – über das Betriebssystem legt, dann bekommt er dafür vielleicht anfänglich ein paar positive Kritiken, weil das alles sehr nett aussieht und sich mancher Rezensent der nur kurz einen Prototypen in die Hand bekommt, davon blenden lässt – aber dafür später eine ganze Menge Ärger, umso mehr und umso länger die Kunden diese benutzen.
Immerhin kann sich das Unternehmen sicher sein, dass sich zahllose Foren mit seiner Entwicklung beschäftigen – allerdings nur, weil die Leute dort diskutieren, wie sie diese am einfachsten, gründlichsten oder schnellsten wieder loswerden. Schließlich haben sie die Hoffnung, dann wahlweise ein halbwegs vernünftig benutzbares oder ein ihren Vorstellungen eher entsprechendes Gerät zu bekommen.
So gesehen sind Eigenentwicklungen der Smartphone-Hersteller nicht viel mehr als die Crapware, die PC-Hersteller für ein bisschen Geld auf ihren Geräten vorinstallieren, um mit dem Verkauf die magere Marge etwas aufzubessern. Nur wird bei Smartphones eben nicht für die Software bezahlt, sondern an der Hardware gespart.

Unterm Strich reicht es aus, was Google und LG gestern getan haben: Hinweis auf das neue Produkt im Blog, ausführliche technische Daten folgen auf dem Fuß per Pressemitteilung. Punkt. Aus. Keine aufwändig gestalteten Einladungen. Keine Häppchen, keine Schauspieler, keine Kinder, keine CEOs, keine ans Homeshopping-TV erinnernden Testimonials, keine Einspielfilmchen – und schon gar keine Bands.
Wenn sich an der Neuvorstellung etwas Besonderes findet, wird das mindestens einer der Leser oder Empfänger schon bemerken und dann darauf aufmerksam machen. Was nur der Hersteller für besonders hält – einen tollen neuen Kartendienst etwa, eine weitere (die gefühlte siebenunddreißigste) Social-irgendwas-Anwendung oder eine ganz exotische Kamera, die er mit Bildern einer anderen Kamera bewirbt, braucht kein Mensch.
In diesem Sinne: danke Sandy. Deine Aufgabe an der US-Ostküste ist erfüllt. Und jetzt mach, dass Du zurück auf´s Meer kommst, wo Du keinen Schaden anrichten kannst. Und sagt Deinen Kollegen Bescheid, dass sie bei Gelegenheit einmal bedrohlich vor der Westküste herumwirbeln sollen – da gibt es noch viel zu viele Folgen von “Verliebt in ein Smartphone”.