Interview: Die Zeit der Storage-Dinosaurier ist vorbei

Die Sicherung und Archivierung von Unternehmensdaten gehört zu den grundlegenden Aufgaben eines IT-Administrators. Für Selbstständige und sehr kleine Unternehmen birgt diese Aufgabe Fallstricke. Sie müssen zumeist ohne IT-Administrator auskommen und häufig fehlt es oft an Know-how beim Thema Storage. Hinzu kommt, dass aktuelle Trends wie dynamische Storage-Lösungen und modulare Speicher für Verwirrung sorgen könnten.
Gesucht wird also ein Storagekonzept, das ohne tiefes Spezialwissen und mit überschaubarem finanziellen Aufwand realisierbar ist. Wie das aussehen könnte, erklärt Hans Schramm, Field Product Manager Enterprise bei Dell in Frankfurt am Main. Das Interview wurde per E-Mail geführt.
ITespresso: Was sind die wichtigsten Grundregeln bei der Speicherung von Unternehmensdaten?
Hans Schramm: Zunächst einmal gilt es zwei Aspekte zu unterscheiden: Die Datenhaltung und die Datensicherung. Bei der Datenhaltung kommt es darauf an, die Vielfalt einzudämmen und am besten erst gar nicht aufkommen zu lassen. Die Datenhaltung sollte zentral an einer Stelle erfolgen, nicht verteilt an unterschiedlichen Orten. Wo planlos einfach Speichersysteme installiert werden, entstehen schnell die berüchtigten “gewachsenen, unübersichtlichen Strukturen”, deren Betrieb und Verwaltung viel Zeit und Geld kostet.
Das passende SAN
ITespresso: Was wären die Hauptkomponenten einer Speicherlösung?
Hans Schramm: Die erste Wahl für kleine Unternehmen ist ein passend konfiguriertes SAN (Storage Area Network) auf iSCSI-Basis (Internet Small Computer System Interface). Alternativ dazu sollte ein zentrales Storagesystem oder zumindest ein zentraler Storage-Server installiert werden. Eng mit der Datenhaltung verbunden ist die Datensicherung (Backup) beziehungsweise die Datenwiederherstellung (Recovery).

Das Backup sollte auf jeden Fall automatisch erfolgen, aber dennoch auch überwacht werden. Kann das ein kleines Unternehmen nicht selbst ausführen, sollten die Verantwortlichen über eine Dienstleistung nachdenken – gewissermaßen ein regelmäßiger Gesundheitscheck durch einen Spezialisten.
ITespresso: Welche Vorgehensweise ist für ein Start-up sinnvoll, das sich erst noch ein Konzept für Datensicherung erarbeiten muss?
Hans Schramm: Als Startup sollte man sich die Frage stellen: Kann ich das als Unternehmen alleine stemmen oder wende ich mich vertrauensvoll an einen qualifizierten IT-Dienstleister in meiner Nähe?
Gerade ein neues Unternehmen läuft zu Beginn Gefahr, den Fehler der Flickschusterei zu begehen: Es entsteht eine zu große Vielfalt, die Übersicht geht verloren, die IT-Prozesse dauern zu lange und kosten weit mehr als ursprünglich geplant. Ein Dienstleister analysiert die Lage, berücksichtigt das geplante Unternehmenswachstum, entwickelt mit diesen Vorgaben einen Vorschlag, setzt ihn um und kümmert sich anschließend auch um den Support.
ITespresso: Wie können die Mobilgeräte der Mitarbeiter am besten in die Speicher- oder Backup-Architektur eingebunden werden?
Hans Schramm: Ein Patentrezept dafür gibt es nicht, das kann von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein. Schwierig wird es vor allem dann, wenn eine Vielfalt mobiler Endgeräte von unterschiedlichen Herstellern und mit verschiedenen Betriebssystemen vorhanden ist. Eine klare Empfehlung lautet daher, die Vielfalt wo immer möglich einzuschränken und Standards festzulegen.
Je weniger Vielfalt bei Notebooks, Smartphones und Tablets vorhanden ist, desto einfacher lassen sich klare Sicherheitsregeln umsetzen und kontrollieren, Daten synchronisieren, zentral speichern, sichern und bei Bedarf auch wieder herstellen. Backups können automatisiert werden, so dass mobile Geräte beim Einloggen automatisch ihre Datenänderungen sichern.

Storage nach dem Lego-Prinzip
ITespresso: Was sind die Zukunftstrends im Storage-Bereich?
Hans Schramm: Hier muss man differenzieren. Im Mittelstand gilt es, die Effizienz zu erhöhen. Laut Analysten werden 90 Prozent der einmal gespeicherten Daten nicht mehr aufgerufen, liegen aber auf Festplatten unterschiedlicher Bauformen, zum Teil auf schnellen und dadurch kleinen und teuren Speichermedien. Automatisches, dynamisches Storage-Tiering ist hier ein Schlüsselwort. Dabei werden Daten entsprechend ihrer Bedeutung beziehungsweise der Zugriffshäufigkeit abgelegt.
Die ständig benötigten Daten befinden sich auf schnellen, kleinen und teuren Medien, und die anderen auf langsamen, großen und günstige Medien. Komplettiert wird das Storage-Tiering durch Deduplizierungs- und Kompressionsalgorithmen. Dadurch lässt sich die zu speichernde Datenmenge reduzieren, und Daten werden nicht mehr mehrfach, sondern im Idealfall nur noch einmal abgelegt.
Die Zeit der großen Storage-Dinosaurier ist vorbei, die Zukunft von Storage ist modular und orientiert sich am Lego-Prinzip. Bei kleinen Unternehmen trifft das zwar vom Prinzip her auch zu, die benötigten Kapazitäten sind aber zum Teil wesentlich überschaubarer.
Allerdings sollten die Verantwortlichen das allerorten beklagte schnelle Datenwachstum nicht außer Acht lassen. Auf den ersten Blick erscheinen modulare Technologien für kleine Unternehmen oder Start-ups zu teuer. Daher liegt hier in der Regel der Fokus auf zentralen Storage-Lösungen, die sich dann in Zukunft ausbauen lassen.
ITespresso: Ist Cloud Computing eine sinnvolle Alternative zum Speichern auf eigenen Rechnern?
Hans Schramm: Vom Prinzip her ist Cloud Computing eine gute Alternative, aber ich glaube, da hadern wir in Deutschland noch ein wenig mit unserer Einstellung. Wir wollen genau wissen, wo unsere Daten liegen. Viele Gründe sprechen für die Cloud, vor allem in kleinen Unternehmen, die sich nicht groß mit Datenhaltung, Filesharing, Backup, Archivierung und Recovery befassen wollen oder können.
Bei Cloud Computing ist jedoch vieles ein Fall für die Psychologie und wird damit zu einer emotionalen Angelegenheit: Wie sagt man so schön: man muss auch loslassen können, sich in Abhängigkeiten begeben. Damit wird Cloud Computing zu einer Frage des Vertrauens. Jeder, der Zweifel hat, sollte sich vor Augen halten, dass er bei seinem privaten Mail- oder dem Facebook-Account auch nicht sagen kann, wo seine Daten liegen.

ITespresso: Aber Unternehmen benötigen eben ein höheres Sicherheitsniveau für ihre Daten, das ist keine Psychologie …
Hans Schramm: Richtig ist es, bei Firmendaten genauer hinzuschauen. Unternehmen sollten sich gut informieren, welche Angebote es gibt, welche Sicherheitsmaßnahmen implementiert sind und auch nach Referenzen des Service-Providers fragen. Mittelfristig wird sich Cloud Computing zumindest als Ergänzung für selbst betriebene Speicherlösungen aber wohl durchsetzen.