Paragon: Warum Apple und sein App Store nerven

Die Firma Paragon Software mit Sitz in Freiburg im Breisgau ist vielen durch ihre Storage-Management-Produkte bekannt – entweder den einfacheren Partitionierungs- und Festplattenverwaltungstools oder den auf Firmen ausgerichteten Administrationswerkzeugen. Außerdem entwickelt ein Bereich des seit 1994 bestehenden Unternehmens digitale Wörterbücher – für eine Vielzahl von Plattformen.
Als Neuling in dem Geschäft kann man Paragon also wirklich nicht bezeichnen. Mit der jahrelangen Erfahrung und der großen Produktvielfalt müsste man wissen, wie der Hase läuft. Weiß man im Breisgau offenbar auch – allerdings gefällt dem Unternehmen nicht, wie er läuft – besonders nicht, wie der Hase bei Apple läuft. Daher hat es jetzt seinem Unmut über Apples App Store Luft gemacht.

Zusammengefasst hält Paragon die gegenwärtigen Richtlinien von Apple für zu restriktiv: Dadurch werde für Premium-Apps ein zuverlässiger Support über lange Zeit, den Nutzer zu Recht erwarteten, verhindert. Außerdem stört Paragon, dass “der Nutzer sich sein bevorzugtes Wörterbuch nicht als Standard setzen kann”, was eine unnötige Einschränkung bedeute und Apples Druck, Wörterbuch-Apps in ein hierarchisches Modell zu ordnen.
Hintergrund der Beschwerden ist, dass im App Store gekaufte Software bei jedem Erscheinen einer neuen iOS-Version aktualisiert werden muss. Das übernimmt normalerweiser der Entwickler – also in dem Fall Paragon. Gemäß den Richtlinien des Apple App Store müssen jedoch Apps, die nicht mehr aktiv zum Verkauf stehen, komplett aus dem App Store entfernt werden.
Das Support-Problem im App Store
“Das bedeutet für tausende von Anwendern, dass sie ohne ordentlichen Support für schon erworbene Apps auskommen müssen. Apples iTunesConnect-System verbietet den Entwicklern die Aktualisierung ihrer Software – das bedeutet Frustration für Nutzer, denn unter Umständen sind ihre Apps nicht mehr zu dem OS, das auf ihrem iPhone läuft, kompatibel”, bedauert Paragon.
Die Paragon Software Group ist Partner mehrerer Verlagshäuser und hat eigenen Angaben zufolge schon hunderte von Titeln in über 30 Sprachen und für alle gängigen Mobilplattformen auf den Markt gebracht. Diese Apps kosten durchschnittlich 19,99 Euro. Dafür erwarten die Käufer aber natürlich nicht nur verlässliche Übersetzungen und Wortdefinitionen, sondern auch Support.
“Paragon Software würde gern allen Kunden einen solchen Support anbieten, egal welche OS-Version auf dem iPhone installiert ist und unabhängig davon, ob die App noch im App Store erhältlich ist oder nicht. Unglücklicherweise ist dies nicht möglich, denn das Admin-Interface von iTunes verweigert Entwicklern die Pflege alter, aus zum Beispiel vertraglichen Gründen nicht mehr im Verkauf befindlichen Programme ohne Ausnahme.”
Das betrifft natürlich nicht nur Software von Paragon, sondern jede App für iOS, die im oberen Preissegment angesiedelt oder deren Entwickler eventuell Nachfolger unter anderem Namen weiterführen und dann zwar die Weiterentwicklung einstellen, nicht aber den Support oder die Pflege.

“Käufer dieser Apps möchten Jahre und nicht nur ein paar Monate etwas von ihrem Produkt haben, unabhängig davon, ob der Entwickler aktuell im App Store vertreten ist oder nicht. Es geht zum Beispiel um Apps zur Wettervorhersage, GPS-Navigation, zu Verkehrsmeldungen oder um Reiseführer – alle haben dasselbe Problem: jede App, die sowohl einen Entwickler als auch einen Inhaltsanbieter im Hintergrund hat, ist betroffen. Apples Richtlinien zu iTunesConnect schaden nicht nur iOS-User im Allgemeinen, sondern auch dem Ruf des Entwicklers”, beklagt Paragon.
Das Unternehmen hatte sich eigenen Angaben zufolge am 19. November 2012 schriftlich an Apple gewandt. Am 22. November 2012 habe man eine E-Mail erhalten, in der zugesagt wurde, dass sich bald jemand mit dem Anbieter in Verbindung setzen werde. “Das ist bis heute nicht geschehen, auch nicht nach vielen weiteren Nachfragen”, beschwert sich Paragon.
Das API-Problem und das vermeintliche Spam Problem
Ein weiteres Problem für Entwickler und Nutzer sieht Paragon durch den monopolistischen Zugang zu den Betriebssystemschnittstellen (API). Im konkreten Fall werde beim Kauf eines iOS-Geräts eine Wörterbuch-API mitgeliefert. Diese gestattet dem Nutzer nicht, das Wörterbuch seiner Wahl als Standard für die Texteingabe zu setzen.
Außerdem komme es durch die Apple-Definition von “Spam” immer wieder zu Schwierigkeiten. Paragon berichtet: “Im gegenwärtigen Prozess werden anscheinend Apps nur nach Gattungen überprüft. Apple-Mitarbeiter, die spezielle Anforderungen bei der Veröffentlichung von Lern- und Nachschlage-Apps nicht kennen, scheren ohne Rückfrage alle Wörterbücher und Nachschlagewerke eines Publishers über einen Kamm, weil sie dieselben Funktionen bieten. Inhalte oder sogar Sprachen werden nicht berücksichtigt.”
Dabei sind es – wie auch der Laie unschwer nachvollziehen kann – gerade die unterschiedlichen Inhalte und Sprachen, die den Unterschied machen und ein Nachschlagewerk oder Wörterbuch ausmachen.
Apples Erklärung von Spam lässt erkennen, wie weit der Konzern in vielen Teilbereichen schon zu einem bürokratischen Monster herangewachsen ist: “Wir haben festgestellt, dass Ihre App dieselben Funktionen bietet wie auch schon andere Apps, die Sie im App Store anbieten. Lediglich Inhalt oder Sprache unterscheiden sich. … Apps mit gleichen Funktionen aber unterschiedlichem Inhalt tragen zur Unordnung und Unübersichtlichkeit im App Store bei, die verhindert, dass Nutzer die passende App finden. Solche Apps erfüllen nicht unsere Richtlinien.”
Dagegen empfiehlt Apple: “Apps mit gleichen Funktionen sollten in einer Container-App zusammengefasst werden, die unser API (In App Purchase API) verwendet und so unterschiedliche Inhalte transportiert” und “Vielleicht ist es angebracht, dass Sie Ihre Apps überarbeiten und dabei das In App Purchase API verwenden.”
Um “Spam” zu vermeiden forderte Apple Paragon auf, alle Deutsch-Spanisch-Wörterbuch-Apps zusammenzufassen: “Momentan befinden sich über 300 Wörterbuch-Apps im App Store und es sollte keine Doppelgänger geben. Apps können nach Wörterbuch-Marke oder nach Sprache zusammengefasst werden.”
Der Druck, Wörterbuch-Apps in ein hierarchisches Modell zu ordnen, bringt nach Ansicht von Paragon aber entweder zu komplizierte oder zu simple, also in jedem Fall für den Nutzer unbrauchbare Konstrukte hervor.
Noch haben die Freiburger nicht aufgegeben: Paragon Software versichert allen Kunden, “dass jede Anstrengung unternommen wird, für gekaufte Apps einen zuverlässigen und professionellen Support zu bieten. Das Unternehmen wird weiterhin versuchen, mit Apple in Kontakt zu treten, um gemeinsam oben genannte Probleme im Zusammenhang mit dem iTunesConnect-System zu lösen. Es muss eine bessere Lösung geben und Paragon Software ist entschlossen, sie zu finden.”
Das ist ehrenwert und natürlich auch ein bisschen Marketing – aber sein müsste das bei ein bisschen mehr Offenheit und Toleranz von Seiten Apples eigentlich nicht.