FDP-Politiker wettert gegen Überwachungswahn

Das Überwachungsprogramm PRISM, zu dem in den vergangenen Tagen Details veröffentlicht wurden, ruft vielfach heftige Kritik hervor. Unter anderem hat es nun auch Jimmy Schulz, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Unterausschuss Neue Medien und Mitglied im Innenausschuss, als “äußerst besorgniserregend” bezeichnet. Er weis darauf hin, dass auch deutsche Staatsbürger, deren Daten wie E-Mails, Dokumente, Fotos und Chats sich überwiegend in den USA befinden und bewegen, von diesem Überwachungsmaßnahmen betroffen sind. “Diese Spionage von deutschen Bürgern widerspricht ganz klar unserem Grundgesetz”, so Schulz in einer Mitteilung.

Bei aller Empörung über die Amerikaner will Schulz aber auch die Datewnschutzprobleme im eigenen Lande nicht vergessen wissen. “Gleichzeitig wird aber in Deutschland noch immer eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung und eine Telekommunikationsüberwachung an der Quelle gefordert. Noch im Mai dieses Jahres hat das Bundeskriminalamt (BKA) Software zur Durchführung der Quellen-TKÜ gekauft. Solche Spitzelsoftware ist nach den jetzigen Erkenntnissen überflüssig, da offensichtlich zum Beispiel Skype-Gespräche auch ohne den Einsatz von Trojanern abgehört werden können”, so Schulz weiter.
Da sich Staaten immer wieder an den Grenzen dessen bewegten, was rechtsstaatlich erlaubt ist, hält der Politiker es für “dringend notwendig”, dass Bürger sich selbst so gut wie möglich schützen. “Jedermann stehen einfache und kostenlose Möglichkeiten zur Verschlüsselung von Daten zur Verfügung. Einfach verschlüsselt werden können E-Mails zum Beispiel mit OpenPGP, Dateien oder sogar ganze Festplatten zum Beispiel mit TrueCrypt. Ich empfehle allen Bürgern, diese Möglichkeiten zu nutzen”, so Schulz.

Auch der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) befürchtet angesichts der NSA-Spionage Vertrauensverlust deutscher Internet-Nutzer. “Die Maßnahmen der US-Regierung gefährden weltweit die Freiheit des Einzelnen und die Freiheit des Internets insgesamt”, schimpft BITMi-Präsident Oliver Grün. “Wird das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen nachhaltig erschüttert, hat das auch Folgen für die IT-Wirtschaft.”
Katharina Nocun, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, erinnert anlässlich der fraktionsübergreifenden Kritik an PRISM allerdings an die Beteiligung der Bundestagsfraktionen an vielen in den vergangenen Jahren verabschiedeten Überwachungsgesetzen: “Es ist für uns ein Hohn, wie derzeit Vertreter von Parteien im Bundestag gegen die drohende Totalüberwachung aus Übersee wettern, haben sie doch in den letzten Jahren kaum etwas anderes getan, als peu à peu eine eigene Bürgerüberwachungsinfrastruktur im Inland aufzubauen.”

SPD und den Grünen hält Nocun vor, dass unter ihrer Regierungsführung weitreichende Überwachungsgesetze verabschiedet wurden. “Die Wiedereinführung des Großen Lauschangriffs, der Identifizierungszwang für Handynutzer oder biometrische Merkmale in Pässen sind nur einige Beispiele für rot-grünen Grundrechtsabbau. Die neulich durchgewunkene Bestandsdatenauskunft wurde von der großen Überwachungskoalition aus SPD, Union und FDP getragen. Wer wie Union und SPD für die Vorratsdatenspeicherung stimmt, macht sich bei Forderungen für ein freies Netz unglaubwürdig.”
Im Namen ihrer Partei fordert Nocun, dass eine dem Bundestag unterstellte deutsche Grundrechteagentur eingerichtet wird, die “alle bestehenden und neu zu schaffenden Befugnisse und Programme der Sicherheitsbehörden systematisch und nach wissenschaftlichen Kriterien auf ihre Wirksamkeit, Kosten, schädlichen Nebenwirkungen, auf Alternativen und auf ihre Vereinbarkeit mit unseren Grundrechten untersucht.” Gewissermaßen als Sofortmaßnahem sei aber ein Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments zum Ausmaß der Durchleuchtung von Europäern durch PRISM und andere US-Spitzelprogramme erforderlich.