Experteninterview: Die Megatrends im Büro

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Das renommierte Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Entwicklungen in der Arbeitswelt. Vor allem Hightech-Trends und deren Einfluss auf den Job gehören zu den Forschungsthemen. Stefan Rief ist Leiter des Competence Center Workspace Innovation am IAO. Im Interview mit ITespresso beschreibt er die Folgen aktueller Hightech-Trends und wie Unternehmen damit umgehen sollten.

ITespresso: Die Arbeitswelt diskutiert derzeit über aktuelle Trends wie Social Media, mobiles Arbeiten, Shareconomy, Cloud Computing und andere mehr. Welche der Trends tragen tatsächlich zur Produktivität bei?

"Individualisierung und Flexibilisierung sind langfristige Megatrends in der Arbeitswelt. Sie werden unsere Arbeitsweise verändern", sagt Stefan Rief, Leiter des Competence Center Workspace Innovation am Fraunhofer Institut.
“Individualisierung und Flexibilisierung sind langfristige Megatrends in der Arbeitswelt. Sie werden unsere Arbeitsweise verändern”, sagt Stefan Rief, Leiter des Competence Center Workspace Innovation am Fraunhofer Institut.

Rief: Alle diese Trends tragen zum produktiven Arbeiten bei, wenn wir sie richtig nutzen. Social Media beispielsweise kann eine wundervolle und bereichernde Informations-, Wissens- und Expertenquelle sein. Zugleich besteht aber auch die Gefahr, sich darin zu verlieren.

Mobiles Arbeiten trägt zur Beschleunigung von Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen bei – zugleich müssen wir lernen, welche Aufgaben wir produktiv unterwegs erledigen können und welche eine stationäre Infrastruktur, beispielsweise mit großformatigen Displays erfordern.

ITespresso: Welche Trends werden sich voraussichtlich als langlebig erweisen, welche sind Hype?

Rief: Individualisierung und Flexibilisierung halte ich für langfristige Megatrends in der Arbeitswelt. Sie werden unsere Arbeitsweise verändern. Wir werden viel mehr auf die individuellen Fähigkeiten, Interessen und Lebenskontexte von Mitarbeitern eingehen.

Aber nicht, weil das nur schön oder wünschenswert ist, sondern weil es das die individuelle Motivation verbessert. Wir werden Individualität in einer Vielzahl von sehr flexiblen Arbeitzeitmodellen erleben. Auch die Arbeitsumgebungen werden sich immer mehr individualisieren.

ITespresso: Worauf müssen Unternehmer achten, wenn sie Technik-Trends folgen?

Rief: Im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle besteht die Herausforderung darin, den richtigen Zeitpunkt für eine Umstellung beziehungsweise Adaption zu erkennen und vorbereitet zu sein. Dabei hilft konsequente strategische Frühnavigation.

ITespresso: Was versteht man darunter?

Rief: Beispielsweise eine disziplinenübergreifende Zusammenarbeit in Innovationsverbünden, wie wir sie unserem Institut betreiben. Zugleich helfen pilothafte Umsetzungen wie etwa die Einführung einer flexiblen Arbeitsweise erste Kompetenzen im eigenen Unternehmenskontext aufzubauen und für den Tag X parat zu haben.

Business-Profis steht eine Vielzahl von unterschiedlichen Kommunikations-Tools zur Verfügung. Sie müssen nur das richtig aussuchen (Grafik: Andrea Back/Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Sankt Gallen).

Zum anderen sollte man als “Technikbegeisterter” nicht von sich auf andere Kollegen schließen, sondern in jedem Fall eine Analyse der Bedarfs und der Bereitschaft für die Einführung neuer Technologien durchführen. Deren Ergebnisse bilden die Basis für die Konzeption und Einführung neuer Technologien, beispielsweise in den Bereichen Kommunikation und Zusammenarbeit oder beim Veränderungsmanagement.

ITespresso: Ist die viel zitierte Consumerisierung der IT-Welt sinnvoll? Oder geht der Schuss für die Arbeitnehmer nach hinten los, weil sie mit ihren privaten Smartphones in der Freizeit arbeiten müssen?

Rief: Ich denke, dass sich die Frage nach dem Sinn gar nicht stellt. Es ist einfach eine Entwicklung, die wir beobachten können – mit zahlreichen Herausforderungen wie Sicherheit, Privatheit, Erreichbarkeit aber auf der anderen Seite, aber auch der Möglichkeit den individuellen Lebensstil mit den Arbeitsanforderungen zu synchronisieren. Das ist doch ganz im Sinne des Megatrends Individualisierung.

ITespresso: Es ist häufig die Rede von Digital Natives, zumeist jungen Leuten unter 30. Wenn diese Generation in die Unternehmen kommt, ist dann ein “Generationenkonflikt” zu erwarten?

Rief: Den hatten wir doch früher auch in machen Unternehmen. Ich sehe das viel positiver, wir haben deutlich unterschiedliche Arbeitsweisen, denken Sie nur an Mailen und Mikrobloggen und den damit einhergehenden Unterschied in der Kommunikation.

Durch die offensichtliche Unterschiedlichkeit müssen wir uns auch konstruktiv damit auseinandersetzen und eine Kultur des wechselseitigen Respekts und der Kooperation entwickeln. Es ist sehr positiv, dass diese Entwicklung indirekt durch die unterschiedliche Technologienutzung stimuliert wird.

Eine Grafik aus dem Citrix-Report “Workplace of the Future” zeigt die Entwicklung der Arbeitsplätze bis 2020. Demnach werden Unternehmen ihre Büroflächen um 14 Prozent reduzieren können (Grafik: Citrix)

ITespresso: Andere Kulturen haben auch andere Umgangsformen in der elektronischen Kommunikation und beim sozialen Miteinander. Wie können internationale Firmen darauf eingehen?

Rief: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es verhält sich damit ähnlich wie mit der Einführung neuer Technologien. Wesentlich ist die Vision und Zielsetzung, das heißt, ist das Unternehmen wirklich multinational oder einfach in zahlreichen Ländern aktiv.

Das Management muss auch darüber nachdenken, wie viel Regionalität es zulassen möchte oder wie viel sogar erforderlich sein. Das hängt natürlich auch von der Branche ab. Unternehmen aus dem Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie unterscheiden sich dabei sicherlich von der Investitionsgüter- oder Consumerbranche.

ITespresso: Ist IT-Technik tatsächlich in der Lage, Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter zu fördern?
Rief: Ja, das ist sie. Das konnten wir in unserer Information Work Studie nachweisen. Es ist aber auch gar nicht so überraschend.

Grundsätzlich würde ich davon ausgehen, dass Menschen gerne produktiv sind und ein “Flow-Erlebnis” bei der Arbeit schätzen. Mangelnde IT-Ausstattung und Qualität kann hier zu frustrierenden Erlebnissen und Demotivation führen.

IT-Technik stellt mindestens einen sogenannten Hygienefaktor dar. Das heißt, negativ wahrgenommene Qualität hat negative Folgen auf Motivation und Zufriedenheit.

ITespresso: Worauf führen Sie die niedrige Arbeitszufriedenheit in Deutschland zurück?

Rief: An dieser Stelle kann ich nur spekulieren, weil hieraus zahlreiche Faktoren einwirken. Sicherlich kann man sich im Hinblick auf die Gestaltung von Arbeit mit den skandinavischen Ländern auseinandersetzen.

Ich war erst in der vergangenen Woche wieder in Dänemark, das immer wieder Spitzenplätze bei der Bewertung der Arbeitszufriedenheit einnimmt. In den Büro dort konnte man beobachten, dass diese sich deutlich früher als bei uns leeren, in jedem Büro das ich besucht hatte konnte man Kinder sehen, die von den Eltern mitgebracht wurden.

Die Homepage des Office Innovation Center am Fraunhofer Institut.
Die Homepage des Office Innovation Center am Fraunhofer Institut.

Das bedeutet keineswegs, dass dort weniger gearbeitet wird, aber eben viel flexibler in jeder Hinsicht. Untersuchungen, die wir durchgeführt haben zeigen, dass eine hohe Autonomie in der persönliche Arbeitsgestaltung mit einer höheren Zufriedenheit korreliert.

ITespresso: Wenn ein Unternehmen heute einen Neubau oder die Neueinrichtung von Büroräumen plant, wie muss es dann vorgehen, um Arbeitszufriedenheit und Produktivität auf Dauer zu erhöhen?

Rief: Dazu ist eine ganze Reihe von Schritten notwendig.

• Vision und transparente Zielsetzung entwickeln und kommunizieren.

• Auf Mitarbeiterebene die aktuellen und die zukünftigen Anforderungen systematisch ermitteln.

• Arbeitsszenarios entwickeln, die darstellen, wie wir morgen arbeiten.

• Konzeptentwicklung unter Einbindung der relevanten Abteilungen wie Human Resources, IT und so weiter realisieren und die Veränderung begleiten und managen.

• Erfolge und Misserfolge kontrollieren, beispielsweise durch eine Pre-Post-Analyse.

• Auf professionelle Hilfe und externe Experten zurückgreifen, wenn man wirklich die Arbeitskultur verändern wollen, sonst bleibt es Kosmetik.

Tipp: Auf der Website des Office Innovation Center im IAO finden Interessierte auch einen kurzen Film zum Thema Arbeitsplatz der Zukunft.

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