Google strebt offenbar Verfassungsbeschwerde wegen Autocomplete an

Für manche ist die Funktion Autocomplete eine Ärgernis, für andere ein nettes Gadget, für Google scheint sie eine außergewöhnlich wichtige Funktion seiner Suchmaschine zu sein. Schon in der Vergangenheit hat der Konzern deshalb kaum eine Auseinandersetzung gescheut, jetzt versucht er offenbar, mit einer Anhörungsrüge gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14. Mai vorzugehen. Auf einen jetzt veröffentlichten Beschluss, aus dem das hervorgeht, hat Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke hingewiesen.

Google vertritt offenbar die Meinung, dass der BGH sich nicht mit allen Argumenten beschäftigt hat und damit das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Artikel 103 des Grundgesetzes) verletzt wurde, erklärt Solmecke. Der BGH beharrt jedoch auf seinem Standpunkt, dass es für seine Entscheidung zur Autocomplete-Funktion alle relevanten Fakten berücksichtigt hat – auch wenn einige Aspekte im Urteil nicht behandelt werden.
Solmecke weiter: “Die Anhörungsrüge deutet darauf hin, dass Google nun eine Verfassungsbeschwerde vorbereitet. Das Vorliegen einer negativen Gehörsrüge ist die Voraussetzung für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Diese Klage hat allerdings wenig Aussicht auf Erfolg, denn in der Regel werden die Tatsachen ausreichend vom BGH gewürdigt. Man sieht am Vorgehen von Google, dass der Autocomplete-Entscheidung eine große Bedeutung zukommt. Der Konzern hält sich hier an jedem denkbaren rechtlichen Strohhalm fest.”
Unmittelbar nach der Autocomplete-Entscheidung des BGH hat sich Google laut Solmecke offenbar dazu entschlossen, jede Anfrage der Nutzer einzeln zu prüfen. In der Regel dauere die Löschung eines Autocomplete-Vorschlags ein bis zwei Wochen. “Pro Woche haben wir hier in der Kanzlei ein bis zwei Anfragen, mit entsprechenden Löschwünschen betroffener Personen. Meist geht es dabei um Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Unternehmen, die von Google in den Kontext einer Insolvenz oder eines Betruges gesetzt werden”, berichtet Solmecke.

Ein solcher Fall war zum Beispiel der Firma TV-Wartezimmer GmbH & Co. KG aus Freising, die im Juni eine einstweilige Verfügung gegen Google erwirkt hat. Wer damals anfing, den Firmennamen in die Suchmaske bei Google einzugeben, bekam als Suchvorschlag auch die Wortkombination “TV-Wartezimmer Insolvenz” angezeigt.
“Damit wird der falsche Eindruck erweckt, wir befänden uns in wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder seien nicht mehr zahlungsfähig. Dies ist natürlich unzutreffend und geschäftsschädigend”, beschwerte sich Geschäftsführer Markus Spamer damals. Er argumentiert auch damit, dass die Verknüpfung der beiden Begriffe zu keinem vernünftigen Suchergebnis führe. Lediglich Beiträge zur Insolvenz einer anderen Firma im Jahr 2005, die ein “Wartezimmer-Fernsehen” anbot, ließen sich so aufspüren.
Nachdem der Konzern der Aufforderung, die Anzeige in seiner Autocomplete-Funktion zu ändern nicht nachgekommen ist, hat die TV-Wartezimmer GmbH beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung erwirkt. Google wurde durch das Gericht untersagt, nach Eingabe des Suchbegriffs “TV-Wartezimmer” den Ergänzungssuchbegriff “Insolvenz” anzuzeigen beziehungsweise vorzuschlagen. Inzwischen wurde die Anzeige für den Begriff offenbar überarbeitet – und einige Mitbewerber darauf aufmerksam, die rund um den Begriff nun für ihre Anzeigen platzieren. Google hat zu einer damals von ITespresso gestellten Anfrage bisher keine Stellungnahme abgegeben.

Mit Autocomplete hat Google allerdings nicht nur in Deutschland Ärger. Wie Search Engine Land berichtete, untersucht der Generalstaatsanwalt von Mississippi, ob der Konzern dadurch dem illegalen Verkauf von Medikamenten und anderen Produkten, etwa Raubkopien, Vorschub geleistet hat. Google wehrt sich mit dem Argument, Suchergebnisse würden lediglich widerspiegeln, was online zu finden ist. Eine Website aus den Suchergebnissen auszuschließen, ändere nichts daran, dass sie existiere.
Google verwahrt sich dagegen, als Zensurstelle zu fungieren und weist diese Aufgabe Gerichten und der Legislative zu. Auf den Vorwurf des Gesetzeshüters, Google habe durch die Suchwortergänzung “nicht verschreibungspflichtig” bei Medikamenten die dies sehrwohl sind, die Gesundheit der Nutzer gefährdet, ging der Konzern allerdings nicht ausdrücklich ein. Er verwies lediglich auf die Zusammenarbeit mit einer Prüfstelle für Online-Apotheken.
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