Interview: Mit Doodle lassen sich bis zu drei Arbeitstage pro Jahr einsparen

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Michael Näf hatte 2003 ein Problem mit der Terminfindung. Nichts Besonderes – schließlich wollte er ein Treffen am Abend mit ein paar Freunden organisieren. Da das nicht so klappte, wie er sich das vorstellte, entwickelte er zunächst für den privaten Gebrauch ein Online-Angebot. Schnell merkte Näf jedoch, dass er mit seinem Problem nicht alleine war: 2006 hatte das schließlich Doodle genannte Angebot einfach durch Weiterempfehlung von einem Nutzer zum anderen bereits 200.000 Besucher pro Monat.

Näf und Paul E. Sevinç fingen da an, sich Gedanken darüber zu machen, wie man den Dienst professioneller aufziehen könnte – schließlich war er quasi als Liebhaberei entstanden. 2008 bringen die beiden eine erste Finanzierungsrunde hinter sich und benennen ihre Firma nach dem Dienst Doodle AG.

Im Mai Folgenden beginnt die Vermarktung für Online-Werbung, entwickelt man einen ersten Premiumdienst, vertieft die Kalenderintegration und fügt schließlich 2011 das MeetMe-Profil hinzu. Da hat der Dienst bereits über 10 Millionen Benutzer. Im vergangenen Jahr schließlich kommt mit BookMe, eine Buchungsdienst für lokale Dienstleister hinzu.

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Tiziano Obrecht, Vetriebsleiter bei Doodle (Bild: Doodle AG)

Jérôme Bouteiller, Redaktionsleiter bei NetMediaEurope, sprach für ITespresso Frankreich mit Tiziano Obrecht, Vertriebsleiter der Doodle AG, über die aktuelle Situation und die weiteren Pläne der Schweizer Firma. Es folgt eine übersetzte Version des Interviews.

ITespresso: Lässt sich sagen, wie viel Zeit Doodle Firmen bei der Terminplanung einzusparen hilft?

Obrecht: Doodle hat sich kürzlich mit der ETH Zürich zusammengetan, um zu untersuchen, wie sich eine Auswahl von 100 Personen bei der Organisation einer kleinen Veranstaltung, etwa einem Arbeitsessen oder einem beruflichen Meeting, verhalten. Der Untersuchung zufolge benötigen Doodle-Nutzer 11 bis 15 Minuten weniger, um ein Treffen im kleinen Rahmen, also mit vier bis sechs Personen, zu organisieren. Umso mehr Teilnehmer eingeplant sind, umso größer wird die mögliche Zeitersparnis.

Wenn man zum Beispiel davon ausgeht, dass man pro Jahr 100 Treffen zu organisieren hat, hilft Doodle, bis zu drei Arbeitstage einzusparen. Im Rahmen einer großen Firma kann das schnell zu bemerkenswerten Produktivitätszuwächsen führen.

ITespresso: Wie viele Nutzer hat Ihr Dienst derzeit und womit verdienen Sie Geld?

Obrecht: Wir helfen mittlerweile 15 Millionen Menschen weltweit ihre Veranstaltungen zu planen. Etwa ein Viertel davon stammt aus den USA, aber wir haben auch in der Schweiz, sowie in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ansehnliche Nutzerzahlen.

Mit nahezu 40 Millionen Page-Impressions pro Monat ist Doodle.com immerhin eine der meistbesuchten Websites der Schweiz – und diejenige mit den meisten ausländischen Besuchern.

Betrieben wird die Site derzeit von einem Dutzend Mitarbeitern. Die Einnahmen stammen zu 80 Prozent aus Online-Werbung. Die restlichen 20 Prozent kommen aus Einnahmen für unsere Premium-Angebote.

ITespresso: Ließe sich zusätzlich zur Online-Terminfindung nicht ein eigener Online-Kalender starten? Das läge doch nahe …

Obrecht: Wir haben uns diese Frage auch gestellt, aber wir haben dann das Projekt nicht weiter verfolgt. Es gibt schon so viele Online-Kalender und da ziehen wir es vor, uns mit ihnen zu verbinden, um die Veranstaltungsplanung zu erleichtern. Zum Beispiel gibt es seit Juli eine Anbindung zu iCloud. Und mit der raschen Zunahme von Smartphones und des Tablets haben wir noch viel Arbeit …

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Die Oberfläche für die Teminplanung ist bei Doodle bewusst einfach gehalten (Screnshot: ITespresso).

ITespresso: Sie arbeiten auch an neuen Diensten, etwa dem Angebot BookMe. Wie kommt der bei den Nutzern an?

Obrecht: BookMe ist ein Teil unserer Strategie zur Diversifikation von Doodle. Er wird von Dienstleistern weltweit sehr gut aufgenommen. Sie können damit Termine mit ihrer Kundschaft über eine Web-Oberfläche und damit leichter koordinieren. Und für Angebote wie Catering, Massage oder Pflegedienstleistungen können wir sogar die Abrechnung über unsere Plattform abwickeln, was den Dienstleistern ebenfalls hilft, viel Zeit einzusparen.

ITespresso: Fällt es Ihnen als junges, Schweizer Unternehmen schwer, den US-Giganten in dem Bereich die Stirn zu bieten?

Obrecht: Der große Teil unserer Nutzer denkt, wie seien ein amerikanisches Start-up. Aber wenn sie merken, dass wir ein Schweizer Unternehmen sind, zeigen sie sich eher positiv überrascht. Wir versuchen uns in unserem eigenen Rhythmus weiterzuentwickeln und zu vermeiden die Giganten, von denen sie gesprochen haben, frontal zu attackieren.

ITespresso: Was ist die nächste Etappe für Doodle? Eine Fusion? Ein Börsengang?

Obrecht: Vorerst lehnen wir uns an Tamedia-Gruppe an, die 2011 mit 49 Prozent an unserem Unternehmen beteiligt. Aber darüber hinaus sind wir aus Finanzsicht an jeder Art von Partnerschaft interessiert, die den Alltag unserer 15 Millionen Nutzer erleichtern könnte.

In einem Video bei Vimeo demonstriert Doodle die Funktionsweise seines Dienstes.

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