US-Regierung bald nicht mehr für Kontrolle der Internetverwaltung zuständig

Am Freitag hat die US-Regierung angekündigt, die Kontrolle über die Internet Corporation for Assigned Names und Numbers (ICANN) abgeben zu wollen. Diese ist für die Vergabe von Top-Level-Domains verantwortlich. Laut ICANN-Chef Fadi Chehade haben unter anderem die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden zu der Entscheidung beigetragen, die Zuständigkeit künftig auf mehrere Interessengruppen zu verteilen.
“Es steht außer Frage, dass die Snowden-Enthüllungen den Dialog vorangetrieben haben”, erklärt Chehade. “Ich habe auf dem Weltwirtschaftsgipfel mehrere Vorträge über Sicherheitsrisiken besucht. Ich habe gesehen, dass sich die Chefs mehrerer Großkonzerne wie General Electric um das Vertrauen im Internet ernsthaft Sorgen machen. Das Vertrauen in das Ökosystem ist angekratzt.” Die Situation ist laut Chehade vergleichbar mit jener beim US-Handelsriesen Target. Dieser hat Daten von 70 Millionen Kunden verloren – allerdings war dort auch grobe Fahrlässigkeit im Spiel.
Im Rahmen eines ICANN-Treffens sollen im April in Brasilien dann die nächsten Schritte beratschlagt werden. Zu den Gruppen, die künftig die Verwaltung des Internets übernehmen könnten, zählen die Internet Engineering Task Force (IETF), das Internet Architecture Board (IAB), die Internet Society (ISOC) sowie die regionalen Internet-Registrare, die IP-Adressen für neue Domainnamen zuteilt.
“Unsere Organisationen bekennen sich zu offenen und transparenten Prozessen”, wie es in einer gemeinsamen Erklärung von ICANN, IETF, ISOC, IAB und anderen Gruppen heißt. “Die technische Community ist stark genug, um ihre Rolle weiter auszufüllen und zusätzliche Kontrollfunktionen zu übernehmen, die die US-Regierung abgibt.”
Anfangs hatte noch das US-Handelsministerium relevante Bereiche des Internets kontrolliert. Aufgrund eines Vertrags übergab es die Aufgaben dann schrittweise an die ICANN. Dieser Vorgang begann 1997 unter Präsident Bill Clinton.
Die ICANN verwaltet unter anderem das Domain Name System (DNS), das die numerischen IP-Adressen im Internet in die gewohnten Domainnamen – etwa ITespresso.de – umwandelt. Sie betreibt außerdem die Root-Server, die die DNS-Daten speichern. Überdies ist sie für die Vergabe neuer Top-Level-Domains – beispielsweise .social oder .berlin – verantwortlich.
[mit Material von Florian Kalenda, ZDNet.de]
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