Estland will bis 2015 rund zehn Millionen digitale Staatsbürger haben

In absehbarer Zeit sollen sich auch Personen mit Wohnsitz außerhalb von Estland für eine digitale Aufenthaltsgenehmigung des Landes bewerben können. Das hat die estnische Regierung kürzlich beschlossen. Wann genau die bereits sieben Jahre alten Pläne des Innenministeriums nun umgesetzt werden, hängt allerdings noch davon ab, wann die dafür erforderlichen Gesetzesänderungen vorgenommen werden. Beobachter gehen jedoch davon aus, die erste E-Ausweise noch vor dem Jahresende ausgegeben werden.

Laut Taavi Kotka, im estnischen Innenministerium Chef der Einwanderungsbehörde und des Grenzschutzes, könnten 2025 bereits bis zehn Millionen Menschen eine estnische E–Identität haben. Offiziellen Zahlen zufolge hatte das Land im vergangenen Jahr 1.318.000 Einwohner (Zum Vergleich: im Februar 2014 lebten in München 1.467.856 Menschen). “Wir möchten mit unseren Diensten eine Infrastruktur schaffen, die es nicht nur estnischen Firmen erlaubt sie zu nutzen und Estland größer zu machen. Wir haben im Augenblick 80.000 Firmen in Estland, wenn es uns gelänge, diese Zahl mit der E-Staatsbürgerschaft zu verdoppeln, wäre das wirklich ein großartiger Erfolg.”
Personen, die außerhalb des Landes wohnen, werden sich um den Status E-Bürger von Estland bewerben können. Mit dem digitalen estnischen Ausweis können sie dann estnische Online-Dienste nutzen, Bankkonten eröffnen und Firmen gründen, ohne jemals physisch in Estland sein zu müssen.
Zu Beginn werden sich Interessenten für die E-Staatsbürgerschaft aber dennoch in Estland selbst anmelden müssen. So wie es aussieht, wird es im Laufe des Jahres 2015 aber auch möglich sein, die Identitätsprüfung in einer Botschaft oder einem Konsulat in einem anderen Land vornehmen zu lassen. Allerdings erlaubt der Besitz einer estnischen E-Identität zwar, sich online auszuweisen, Inhaber profitieren allerding nicht von demselben Rechtsschutz wie tatsächliche estnische Staatsbürger, dieser ist vielmehr dem eines Ausländers in Estland vergleichbar.
Kotka wies außerdem darauf hin, dass die E-Staatsbürgerschaft ein Privileg und kein Recht ist und Personen, deren Geschäftsgebaren nicht den Gepflogenheiten des Landes entspricht, dieses Privileg auch wieder verlieren können. Ein Bankkonto werde dann nicht eingefroren, sei aber eben nicht mehr mit dem E-Ausweis zugänglich. In dem Fall müsste der Inhaber dann persönlich in Estland vorstellig werden.
Seiner Ansicht nach haben die Pläne großes Potenzial, Unternehmer anzuziehen die ein Konto in der EU benötigen, mehr Kunden für die Firmen des Landes zu gewinnen und so Kapital in das Land zu bringen. E-Residents könnten seiner Sicht nach davon angetan sein, an nur einem Tag eine Firma und ein Konto in der Europäischen Union einrichten zu können. Das komplett online abwickelbare Steuersystem seines Landes sowie die gut ausgebildete Online-Banking-Infrastruktur sowie die Tatsache, dass alle in Estland reinvestierten Gewinne steuerfrei sind, nennt Kotka als weitere Pluspunkte. Er räumt aber auch ein, dass der Staat nur die Infrastruktur zur Verfügung stellen könne – ob die dann von den Unternehmern auch angenommen werde, sei offen.
Dass die E-Staatsbürgerschaft auch Risiken mit sich bringt, leugnen die Macher keineswegs. Sie räumen beispielsweise ein, dass Kriminelle das geschaffene System zur Geldwäsche nutzen könnten oder dass das Interesse der Hacker für das Bankwesen in Estland zunimmt. “Kriminelle wird es immer geben”, sagt Kotka dazu. “Die Frage ist, ob wir eine wirklich innovative Idee deshalb verwerfen sollen? Wenn dadurch 100.000 Firmen neu entstehen und 4000 davon Betrüger sind, dann ist das ein Problem, dessen wir uns annehmen werden, aber nichts, was uns aufhalten wird.
[mit Material von Kalev Aasmäe, ZDNet.com]