Start-up wagt neuen Anlauf für umstrittene Ärztebewertung

In München ist mit Patientsbest ein Portal zur Ärztebewertung und Terminvermittlung mit Ärzten gestartet. Hinter der gleichnamigen Firma steckt Gründer und Geschäftsführer Kia Parssanedjad, der bislang eher dem Kapitalmarkt hinter der Medizinbranche zuzuordnen ist. Das beeinflusst auch das Geschäftsmodell, mit dem sich die Neugründung von der Konkurrenz unterscheiden will.

“Egal ob privat oder gesetzlich versichert – 10 Prozent der privat abgerechneten Arztrechnung bekommt der Patient gutgeschrieben, wenn er hilft, für Transparenz im Gesundheitswesen zu sorgen”, bewirbt Parssanedjad seine Version der Arztbewertung. Das heißt, die Patienten bekommen Geld für faire Aussagen. Damit diese gerechtfertigt bleiben und nicht anonym ohne Belege über Ärzte geschimpft wird, wie es die Stiftung Warentest in einer Übersicht zu bisherigen Angeboten beobachtet hat, setzt das neue Portal auf Mitgliedschaft und Geld. Es legt dabei Wert darauf, dass man “unabhängig von jeder Einflussnahme durch Gesundheitsinstitutionen wie Krankenversicherungen, Ärzteverbände oder Zahnärzteverbände” sei.
Die Zugehörigkeit ist für Patienten kostenlos und der Nutzer nach außen hin anonym. Ungerechtfertigte Arztbeleidigungen sind allerdings durch die Mitgliedschaft nachvollziehbar. In Angeboten wie Jameda, Weiße Liste, Sanego und Topmedic – insgesamt gibt es über 20 solcher Portale – finden sich bislang regelmäßig wenig sachdienliche Bewertungen wie “Abzocker”, “ruppige Gynäkologin” oder auch “nettester Arzt überhaupt”.
Mit solch einem Fall musste sich bereits auch der Bundesgerichtshof auseinandersetzen. Allerdings unterlag da der gegen Sanego auf Herausgabe der Nutzerdaten zu einem Kommentar klagende Arzt (Aktenzeichen VI ZR 345/13). In einem Grundsatzurteil hatte der Bundesgerichtshof im Juli 2014 dabei zugleich das Recht auf anonyme Meinungsäußerung im Internet generell gestärkt: Der Betreiber eines Bewertungsportals muss die Daten anonymer Kommentatoren nur dann herausgeben, wenn eine Strafanzeige vorliegt.
In einem zweiten Urteil im September entschied der BGH dann, dass ein Arzt seine in einem Bewertungsportal gespeicherten Daten – also akademischen Grad, Name, Fachrichtung und Anschrift seiner Praxis sowie die abgegebenen Bewertungen – nicht löschen lassen kann. Der Arzt berief sich bei seiner Klage auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Zu Unrecht, wie die obersten Richter befanden. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein-Westfalen kritisierte daher schon, Ärzte gerieten im Internet-Zeitalter in eine Bewertungsfalle.
Das Modell von Patientsbest mit den Zahlungen stammt aus der professionellen Marktforschung. Patientsbest-Geschäftsführer Parssanedjad dazu: “Es ist wie Restaurant-Tester beim Arzt zu sein. Prüfen und belohnt werden.”
Patientsbest ist Bestandteil eines bundesweiten Pilotprojekts und enthält neben der Arztbewertung auch ein Terminplanungs-Tool, wie es bereits der Konkurrent Samedi bietet. Statt nur Zeiten einzuplanen, können Patienten allerdings bereits vor dem Behandlungstermin mit dem Arzt kommunizieren. Beim Blick in die Bewertung will Patientsbest nur Einschätzungen von Patienten anzeigen, die nachweislich auch bei diesem Arzt in Behandlung waren.
Teilnehmende Ärzte verpflichten sich freiwillig zu hohen Standards, wie Patientenzufriedenheit und Behandlungsqualität. Die bei Patiensbest.de ausgewiesenen Ärzte müssen sich regelmäßig durch Patientenbewertungen an diesen Standards messen. So will der Service bezahlte Platzierungen oder Einflussnahmen auf die neutrale und unabhängige Darstellung ausschließen. Nach der Anlaufphase in München will das Unternehmen in Hamburg, Frankfurt und Berlin sowie später auch in weiteren Städten weitermachen.