Forscher wollen mit Chips Sehleistung bei Retina-Implanten verbessern

Forscher der Technischen Universität Wien haben im Rahmen eines durch den Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts untersucht, wie sich die Wiederherstellung der Sehleistung bei in die Netzhaut implantierten Mikrochips verbessern lässt. Bisherige, Chip-basierende Retina-Implantate erlauben allenfalls eine rudimentäre Wiederherstellung der visuellen Wahrnehmung. Anpassungen ihrer elektrischen Impulse könnten das aber bald ändern, wie die Wissenschaftler in einer Simulation zeigen konnten. Hierzu haben sie zwei spezielle Sehzell-Typen untersucht, die auf bestimmte elektrische Signale unterschiedlich reagieren. Dies könnte den Forschern zufolge das Sehen von Hell-Dunkel-Kontrasten verbessern.
“Blinde richtig sehend machen – das wird noch dauern”, sagt Frank Rattay vom Institut für Analysis und Scientific Computing an der Technischen Universität Wien, in einer Pressemitteilung. “Doch bei bestimmten Erkrankungen des Auges gelingt es schon, ihnen mit Retina-Implantaten ein noch stark eingeschränktes Sehen zurückzugeben.”
Mithilfe von ins Auge eingepflanzten Mikrochips werden hierzu Lichtsignale in elektrische Impulse umgewandelt, die anschließend Zellen der Netzhaut stimulieren. Ein großes Problem dabei: Zelltypen, die in einem funktionsfähigen Auge unterschiedlich auf Lichtreize reagieren, werden bei Blinden gleichmäßig stimuliert. Damit wird die Wahrnehmung von Kontrasten stark vermindert. “Doch könnte es gelingen”, so Rattay, “durch spezielle elektrische Impulse die eine Zellart mehr als die andere zu stimulieren und so die Wahrnehmung von Kontrast zu steigern.” Erste Ansätze dazu fand er mit seinem Team im Rahmen des FWF-Projekts.
Rattay und sein Team konnten in einer Computersimulation zweier Zelltypen des Auges Spannendes entdecken: So zeigte sich, dass bei Auswahl spezieller elektrischer Impulse tatsächlich unterschiedliche biophysikalische Vorgänge in den beiden Zelltypen aktiviert wurden. Eine sogenannte monophasische Stimulation, bei der die elektrische Polarität des Signals vom Retina-Implantat nicht wechselte, führte bei einem Zelltyp zu einer deutlichen Depolarisierung.
“Depolarisierung bedeutet, dass die in Zellen vorherrschende negative Ladung kurzfristig in eine positive übergeht. So werden Nervenimpulse weitergeleitet”, erklärt Rattay. In dem anderen Zelltyp war diese Ladungsumkehr deutlich schwächer. Des Weiteren konnte das Team anhand der Simulation auch zeigen, dass die Konzentration an Kalzium in den beiden Zelltypen unterschiedlich auf ein monophasisches Signal reagierte. “Kalzium ist in vielen Zellen ein wichtiges Signalmolekül, das bei der Verarbeitung von Information eine wesentliche Rolle spielt. Deswegen haben wir dieses in unserer Simulation auch besonders berücksichtigt und die Wirkung spezieller Membranproteine für den Kalziumtransport miteinberechnet”, erläutert Paul Werginz, Kollege von Rattay und Erstautor der nun veröffentlichten Arbeit.

Konkret untersuchte das Forscherteam Modelle zweier als ON- und OFF-Zellen bezeichneten Zelltypen der Retina. ON-Zellen reagieren stärker, wenn es im Zentrum ihrer Platzierung heller ist, bei OFF-Zellen ist es hingegen genau umgekehrt. Dank ihrer Anordnung in der Retina wird so die Wahrnehmung von Kontrasten stark erhöht. Doch Retina-Implantate senden anstelle von Lichtimpulsen bisher ausschließlich elektrische Impulse, die in beiden Zelltypen zu den gleichen biochemischen Reaktionen führen und so die Kontrastempfindlichkeit stark reduzieren.
Die Gruppe um Frank Rattay kam im Rahmen des Projekts zudem zu dem Ergebnis, dass die Form einer einzelnen ON- oder OFF-Zelle Einfluss auf die Signalverarbeitung hat. Demnach spielt die unterschiedliche Länge beider Zelltypen eine wesentliche Rolle. Auch dies könnte laut Rattay eine wichtige Erkenntnis sein, die es erlaubt, die Leistungsfähigkeit zukünftiger Retina-Implantate durch die Modulation ihrer elektrischen Signale deutlich zu verbessern. Dieses Ziel verfolgen Rattay und sein Team nach eigenen Angaben intensiv, um vielen Blinden das visuelle Erkennen von Gegenständen ermöglichen zu können.
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