Videotelefonie geht auch ohne Daten-Harakiri

Firmen und Organisationen aller Branchen und Ausrichtung sind auf Kommunikation mit ihrer Klientel angewiesen. Dabei gibt man sich gern modern. Daher wird auch Skype immer beliebter. Den Einsatz sollte man sich als Anbieter aber gut überlegen.
Wieder so eine Sirene: “Skype Translator übersetzt nun auch bei Sprach- und Videoanrufen ins Deutsche”. Juhuuu!! Sogar das Bundesministerium für Bildung und Forschung trällert: “Unsere Kommunikationskultur hat sich tiefgreifend verändert. Mobiles Telefonieren, SMS, Skype-Konferenzen, Cloud Computing und der Austausch in Sozialen Netzwerken sind heute für viele unverzichtbar geworden.”
Doch damit nicht genug. Professoren der Hochschule Weingarten bitten zu “offenen Skype Sprechstunden”, die Computerbild jubelt: “Beinahe im Monatsrhythmus erscheinen neue Skype-Versionen für diverse Plattfomen.” Und der Bitkom stellt fest, dass 46 Prozent der 10 bis 18-jährigen skypen.
Schon in der Schule geht das los. Lehrer erfahren unter der Überschrift “Skype im Unterricht“: “In diesem Unterrichtsvorschlag lernen Sie die kostenlose Telefonie-Software Skype der Firma Microsoft kennen. Nachdem der Umgang sowie die Vor- und Nachteile von Skype erläutert wurden, werden einige praktische Einsatzbeispiele für den Unterricht vorgestellt.”
Dieser Akzeptanzmarketing-Chor beeindruckt Viele: Unter anderem Ärzte, Anwälte, Apotheker, Banken, Call-Center, Fernsehsender, Gerichte, Journalisten, Krankenkassen, Lohnsteuerhilfevereine, Psychotherapeuten, Standesämter und Universitäten fallen der Kanonade zum Opfer und skypen mit ihrer Klientel. Nicht einmal die Abgeordneten von Regierungs– und Oppositionsparteien können sich dem Gruppenzwang entziehen.
Eine andere Meldung droht dem gegenüber zu verblassen: Skype soll für “virtuelle Sprengfallen” anfällig sein – mit einer acht Zeichen langen Textnachricht soll es möglich sein, die Anwendung zum Absturz zu bringen und dauerhaft abzusperren. Behauptet der Guardian.
Und: Skype soll das Adressbuch auslesen, in die USA übertragen und außerdem die Sicherheit des entsprechenden Geräts kompromittieren. Und jedes andere verbundene Gerät ist ebenfalls gefährdet. Der Berliner Datenschutzbeauftragte sorgt sich daher um “Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit” von Skype.
Das Problem mit dem mutmaßlichen Mangel an Vertraulichkeit erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung so: “Vermutlich schneiden die NSA und andere Geheimdienste alles mit, werten es automatisch aus, wandeln es in Text um und machen damit die Gespräche durchsuchbar. Verdachtsunabhängig. Bei jedem Gespräch.”
Die Microsoft-Tochter macht da nicht einmal ein Geheimnis draus – in den Nutzungsbedingungen heißt es unmissverständlich: “Durch die Nutzung der Software gewähren Sie Skype eine Lizenz für geistiges Eigentumsrecht, mit der Skype die Inhalte Ihrer Kommunikation verwenden kann, um die Produkte bereitstellen zu können, z. B. die Übermittlung Ihrer Kommunikation an den vorgesehenen Empfänger.” “Z. B.” schließt weitere Verwendungen zumindest nicht aus.
An Baden-Württembergischen Hochschulen ist das Skypen folgerichtig verboten. Die Aufsichtsbehörden drohen speziell den Ärzten, Anwälten, Steuerberatern und anderen “Geheimnisträgern” mit Bußgeldern bis 150.000 Euro für ausgelesene Adressbücher. Insbesondere die Anwälte, Finanzexperten und Buchhalter sollten sich bewusst sein, dass sie als fette Beute gelten – verfügen sie doch häufig über kapitalmarktrelevante Informationen, mit denen Kriminelle einen Haufen Geld machen können. Was nicht heißt, dass andere Daten verschmäht würden: Krankenakten beispielsweise werden angeblich zwischen 50 und 500 Dollar in der digitalen Unterwelt gehandelt.
Was also ist zu tun? Neben den bereits in einem früheren Beitrag genannten Empfehlungen kann man aus einer breiten Palette von Videotelefonie-Anwendungen auswählen, die die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) zusammengestellt hat – etwa Pidgin, Telegram und TextSecure. Edward Snowden empfiehlt zusätzlich RedPhone – das allerdings unterstützt kein Video. Menschen, die videotelefonieren wollen, werden also dennoch nicht zum Daten-Harakiri gezwungen.
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