Telekom will jetzt lang geplante Gebühren für Inhalteanbieter umsetzen

Sie sollen eine “Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent” entrichten und dafür dann eine gute Übertragungsqualität garantiert bekommen. Damit greift der aktuelle Firmenchef Timotheus Höttges Pläne seines Vorgängers René Obermann von 2013 wieder auf. Höttges hofft sie erfolgreich umsetzen zu können, da sich durch den Entscheid der EU zur Netzneutralität die Voraussetzungen geändert haben.
In einem Kommentar zu den diese Woche durch das EU-Parlament verabschiedeten Regelungen zur Netzneutralität hat Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, die Einführung kostenpflichtiger Dienste für Inhalteanbieter angekündigt. Sie sollen demnach gegen eine “Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent” eine garantiert “gute Übertragungsqualität” zugesichert bekommen.

Als Beispiele für Dienste, deren Anbieter bezahlen sollten, nennt Höttges Videokonferenzen, Online-Gaming, Telemedizin, autonome Fahrzeuge und vernetzte Produktionsprozesse in der Industrie. “Gemeinsam haben diese Dienste, dass sie andere, teilweise höhere Qualitätsanforderungen haben als das einfache Surfen oder die E-Mail, die auch ein paar Millisekunden später ankommen kann. Eine Videokonferenz sollte beispielsweise auch zu Stoßzeiten im Netz nicht ins Stocken geraten. Deshalb muss die Möglichkeit bestehen, dass die Daten empfindlicher Dienste im Stau Vorfahrt bekommen.”
Höttges greift damit Pläne wieder auf, die bereits sein Vorgänger René Obermann 2013 hatte, aber damals nicht umsetzen konnte. In der Diskussion um die Drosselung von DSL-Anschlüssen, deren Inhaber besonders viel Traffic erzeugen – die “Drosselkom-Diskussion” – hatte Obermann ebenfals mehrmals angedacht, nicht nur bei einigen Nutzern den Hebel anzusetzen, sondern auch Anbieter von bandbreitenintensiven und auf gute Netzqualität angewiesenen Inhalten zur Kasse zu bitten. Das scheiterte damals.
Kritiker beriefen sich damals vielfach auf die Netzneutralität. Nachdem die EU neu festgelegt hat, was darunter in Europa zu verstehen ist, hält Höttges die Voraussetzungen offenbar für günstiger und wagt einen zweiten Anlauf. Dennoch werden wieder dieselben Argumente ins Feld geführt werden. Denn da die Telekom bei weitem nicht nur Netzbetreiber ist, sondern viele der Dienste, die sie mit einer “Maut” belegen will auch selbst anbietet, liegt immer der Verdacht der Wettbewerbsbehinderung nahe.

Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG (Bild: DTAG)
Für die IPTV-Plattfrm Entertain, die dmals im Mittelpunkt der Kritik stand, hatte Obermann das schon zurückgewiesen: Das sei kein “typischer Internetdienst, sondern eine von den deutschen Landesmedienanstalten durchregulierte separate Fernseh- und Medienplattform, für die unsere Kunden ein entsprechendes Zusatzentgelt bezahlen.” Schwieriger werden dürfte das bei Videokonferenzen oder Telemedizindiensten, bei denen die Telekom derzeit schon aktiv ist beziehungsweise es in Zukunft werden will.
Höttges argumentiert, Qualitätsdifferenzierung sei keineswegs eine Revolution im Netz, sondern eine natürliche Weiterentwicklung. Nutzer seien damit vertraut, im Internet für mehr Qualität mehr zu bezahlen. Als Beispiele nennt er mehr Speicherplatz für E-Mails, erweiterte Funktionen Sozialer Netzwerke oder Videos in HD statt Standardauflösung. Allerdings vermengt er hier die Gewohnheiten von Internetnutzern und Anbietern im Internet. Letztere zahlen bislang lediglich über die Anbindung ihres oder des von ihnen genutzten Rechenzentrums an das Telekommunikationsnetz. Dass sie je nach angebotenem Dienst zur Kasse gebeten werden, ist neu und wirft viele Fragen nach der Umsetzung in der Praxis auf.
Die bereits im Vorfeld der EU-Entscheidung geäußerten Befürchtungen, durch kostenpflichtige “Überholspuren” im Netz könnten kleinere Anbieter benachteiligt werden, hält Höttges nicht für brechtigt. Seiner Ansicht nach könnten auch sie sich die Überholspuren leisten, ja hätten sogar Vorteile davon, da sie nicht wie zum Beispiel Google selbst zahlreiche Rechenzentren betreiben könnten. “Wollen sie Dienste auf den Markt bringen, bei denen eine gute Übertragungsqualität garantiert sein muss, brauchen gerade sie Spezialdienste”, so Höttges. Er sieht darin einen “fairen Beitrag” für die Nutzung der Infrastruktur und eine Möglichkeit, den Wettbewerb unter den Telekommunikationsanbietern anzukurbeln.
Bei einem der Wettbewerber, Vodafone, schließt man die jetzt von der telekom geplante Einführung derartiger Angebote jedenfalls nicht aus.”Vodafone verfolgt derzeit keine solchen Planungen, die Aussagen der Telekom sind aus unserer Sicht aber richtig”, zitiert Spiegel Online einen Vodafone-Sprecher. Für Vodafone erfüllten schon jetzt bestehende Angebote wie Voice-over-IP und Internet-TV die Kriterien von Spezialdiensten, die eine kostenpflichtige Überholspur erhalten. Künftig werde es allerdings noch weitere “Spezialdienste” geben. Und die Befürchtungen der Kritiker, dass es zu einem Zwei-Klassen-Internet kommt, wisch dr Vodafone-Sprecher lapidar mit der Bemerkung zur Seite: “Ein Ein-Klasse-Internet gibt es bereits heute nicht.”
