Abmahnungen: Anschlussinhaber muss nicht permanent und anlasslos überwachen

PolitikRecht
Gerichtsurteil (Bild: Shutterstock/Gunnar Pippel)

Das hat das Amtsgericht Köln jetzt in zwei parallel laufenden Verfahren entschieden. Darin forderten zwei Rechteinhaber an Pornofilmen von einer Anschlussinhaberin 1151 respektive 1859 Euro. Die muss sie allerdings nicht zahlen, da zum fraglichen Zeitpunkt auch andere Nutzer Zugriff hatten.

Vor dem Amtsgericht Köln haben die Rechtsanwälte der Kanzlei Werdermann | von Rüden eine Mandantin zunächst erfolgreich gegen Forderungen von Rechteinhabern an drei Pornofilmen verteidigt. Der Frau wurde von der DBM Videovertrieb GmbH sowie der INO Handels- und Vertriebsgesellschaft Kerim Vorberg mbH vorgeworfen, über ihren Anschluss zwei beziehungsweise einen Pornofilm, an dem diese die Nutzungsrechte haben, öffentlich zugänglich gemacht zu haben. Dafür sollte sie 1151 respektive 1859 Euro an Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten bezahlen.

Das Amtsgericht Köln hat Forderungen der DBM Videovertrieb GmbH sowie der INO Handels- und Vertriebsgesellschaft Kerim Vorberg mbH wegen Urheberrechtsverletzuungen an Pornofilem gegen die Inhaberin eines Internetanschlusses zurückgewiesen (Bild: Shutterstock /Sebastian Duda)

Die Anschlussinhaberin und ihre Rechtsanwälte brachten zur Verteidigung vor, dass zum behaupteten Tatzeitpunkt auch ein erwachsener Sohn und ein minderjähriger Sohn Zugang zu dem Internetanschluss hatten. Die bestritten der Mutter gegenüber allerdings, für die Rechtsverletzung verantwortlich zu sein. In der Vergangenheit argumentierten die Rechteinhaber und ihre Anwälte meist damit, dass in solchen Fällen der Anschlussinhaber hafte. Er müsse sich schließlich darum kümmern, dass der Anschluss nicht für illegale Aktivitäten genutzt werden könne.

Und während in der Vergangenheit Gerichte dieser Auffassung immer wieder folgten, hat sich seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs die Ausgangsposition für Empfänger einer Abmahnung etwas verbessert. Dementsprechend begründet das Amtsgericht Köln seine Entscheidung zugunsten der Anschlussinhabern jetzt auch damit, dass die Anforderungen an die sogenannte “sekundäre Darlegungslast” nicht derart überspitzt werden dürften “dass sich daraus die Notwendigkeit einer permanente und anlasslosen Überwachung des Anschlusses und dessen Nutzern“ ergibt. Die Anschlussinhaberin sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, den Täter der Rechtsverletzung durch eigene Nachforschungen zu ermitteln. Das Gericht wies daher beide Klagen vollständig ab (Aktenzeichen 148 C 260/14 und Aktenzeichen 148 C 229/14).

Ähnlich hat sich bereits im Mai das Oberlandesgericht Hamburg geäußert. Die Vorinstanz, das Landgericht, verlangte zur Erfüllung der sogenannten “sekundären Darlegungslast” noch Informationen darüber, wie viele internetfähige Endgeräte zum Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung im Haushalt waren, wer diese genutzt hat, wer sich im Haushalt aufhielt und wer Zugriff auf den Internetanschluss hatte. Das Oberlandesgericht wies dies dann aber als unrealistisch zurück.

In der Begründung heißt es: “Denn es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass ein Anschlussinhaber einen derart alltäglichen Vorgang wie die Nutzung eines Computers mit Internetzugang bereits nach einigen wenigen Tagen noch präzise genug erinnern kann, um eine derartige Auskunft geben, geschweige denn an Eides statt versichern zu können. Es wäre auch lebensfremd, von jedem Anschlussinhaber zu erwarten, dass er dokumentiert, wer von seinen Familienangehörigen wann seinen Internetzugang benutzt hat.”

Gerichte legen die sekundäre Darlegungslast bei Streaming-Abmahnungen jetzt weniger strikt aus  (Bild: shutterstock/BackgroundStore)

Auch vom Amtsgericht Bielefeld liegt bereits ein ähnlich lautendes Urteil vor (Aktenzeichen 42 C 1001/14). Die Rechteinhaber erklärten, der Anschlussinhaber hafte als Störer, da sein Internetanschluss nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen sei. Für die Rechtsverletzung sollte er die Lizenzgebühr von 446,20 Euro nachzahlen, außerdem Anwaltskosten in Höhe von 651,80 Euro erstatten. In dem Fall erklärte der Anschlussinhaber einfach, die von ihm verwendete Fritz Box sei mit WPA2 verschlüsselt und damit ausreichend gesichert gewesen. Zur angegebenen Tatzeit habe er zudem geschlafen. Allerdings sei sein volljähriger Sohn im Haushalt anwesend gewesen.

In den beiden Verfahren in Köln kommt nun noch eine weitere Komponente hinzu: Dass die beiden Söhne leugneten, für die Rechtsverletzung verantwortlich zu sein, heißt nach Ansicht des Richters noch lange nicht, dass sie auch die Wahrheit sagen und damit automatisch die Mutter als Urheberrechtsverletzerin feststeht.

“Die tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber selbst für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits dann erschüttert, wenn feststeht, dass auch andere Personen zum Tatzeitpunkt zugriffsberechtigt waren”, erklärt Ehssan Khazaeli von der Anwaltskanzlei Werdermann | von Rüden. Wo sich die zugriffsberechtigten Personen zum Tatzeitpunkt tatsächlich aufgehalten haben, spiele keine Rolle. Es könne zudem nach mehreren Jahren auch nicht mehr zuverlässig rekonstruiert werden.

Mit zwei weiteren Themen, die die Anwälte der Rechteinhaber aufgeworfen hatten musste sich das Gericht dann gar nicht mehr auseinandersetzen. Es ging dabei einmal darum, ob das WLAN ausreichend gegen unberechtigte Zugriffe gesichert war und ob der minderjährige Sohn ausreichend über die Rechtslage beim Filesharing informiert wurde sowie um die Frage, ob ihm die Teilnahme an solchen Tauschbörsen verboten wurde. Ob diese Pflichten verletzt wurden, spielte nämlich im Verfahren keine Rolle mehr. Denn wenn auch der erwachsene Sohn als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt, stehe automatisch fest, dass die beiden Themenkomplexe für die Rechtsverletzung nicht ursächlich gewesen sind.

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