2015 enttäuschte die Hälfte der Börsengänge von US-Technikfirmen

2015 haben lediglich 28 IT-Firmen in den USA den Börsengang gewagt. Das sind deutlich weniger als in den Vorjahren. Außerdem konnte nur die Hälfte auf dem Börsenparkett überzeugen. In Europa sieht das zwar etwas besser aus, droht sich aber ausgerechnet durch das zunehmende Interesse von US-Wagniskapitalgebern zu ändern.
Den Marktbeobachtern von Dealogic zufolge haben 2015 lediglich 28 Technologiefirmen in den USA den Börsengang gewagt. 2014 und 2013 waren es noch 62 respektive 48. Immer mehr hoch bewertete Start-ups zögern dagegen den IPO hinaus. Das Gesamtvolumen aller IPOs von US-Technikfirmen lag 2015 laut TechCrunch bei 9,4 Milliarden Dollar. Davon entfallen alleine 2,8 Milliarden auf den größten Börsengang, den von First Data, im Oktober. Das schon 1969 gegründete Unternehmen ist im Bereich E-Commerce und elektronsicher Zahlungsverkehr aktiv und in Deutschland seit 2003 vertreten, als es die damalige Telekom-Tochter TeleCash übernahm.
Die Zurückhaltung bei den Börsengängen scheint berechtigt. Die Aktien der Hälfte der diesjährigen Börsenneuzugänge liegen derzeit unter ihrem Ausgabepreis. Am schlimmsten hat es Etsy erwischt. Das Papier des New Yorker Online-Marktplatzes für Kunsthandwerk und Künstlerbedarf notiert derzeit mehr als 40 Prozent unter dem Ausgabewert.
Cloud-Speicherdienst Box und Bezahldienst Square mussten beim IPO dagegen bereits eine deutliche Wertkorrektur gegenüber der vorangegangenen, letzten privaten Finanzierungsrunde vornehmen. Bei Square wurde der Preis pro Aktie von 15,46 auf 11 bis 13 Dollar gesenkt. Bei Box lohnte sich das zumindest für die frühen Anleger: Der Handel begann im Januar am ersten Tag bei 20,20 Dollar, womit die Aktie dann deutlich über dem Ausgabepreis von 14 Dollar lag.

Generell zeigt sich die Tendenz, dass US-Anleger bei neuen Tech-Werten wieder mehr auf solide Finanzzahlen Wert legen, als auf hochfliegende Pläne. Firmen, die bereits gut gehende Produkte oder Dienstleistungen haben, etwa Fitbit, dessen Aktie um 56 Prozent kletterte, der US-Hoster GoDaddy, dessen Aktie gar um 68 Prozent zulegte, sind gefragt. Auch Atlassian, der erst vergangene Woche erfolgte letzte US-IPO im Technologiesektor, kann als Erfolg gewertet werden. Das bereits seit vielen Jahren am Markt aktive und eigentlich von Anfang an profitabel wirtschaftende Unternehmen hatte den Ausgabewert kurz vor dem IP noch einmal auf 21 Dollar erhöht. Dennoch kletterte der sofort auf über 28 Dollar und liegt derzeit immer noch bei über 27.

Die US-Technikfirmen stehen mit ihrem Problem aber nicht alleine da. VentureBeat listet auch eine Reihe europäischer Firmen auf, deren IPO verschoben wurde – darunter den französischen Musik-Streaming-Dienst Deezer und den Lieferdienst HelloFresh. Auch das französische Traditionsunternehmen Oberthur – eine Art Pendant zu Giesecke&Devrient in Deutschland – musste seinen IPO, der bereits als größter dieses Jahres in Europa erwartet worden war, Anfang November “aufgrund der Marktsituation” verschieben. Solch ein Schritt ist immer kein gutes Zeichen deutet er doch darauf hin, das entweder mit dem Markt oder dem Geschäftsmodell etwas “nicht stimmt” – oder im schlimmsten Fall, beides zusammenkommt.
Auch in Europa zeigt sich allerdings die Tendenz, dass etwas ältere Firmen mit einer solideren Basis den Schritt eher wagen und dabei auch erfolgreicher sind. Als ein Beispiel dafür nennt Robin Wauters bei VentureBeat die schwedische Firma Tobii Technology, deren Gründer in diesem Jahr für ihre Eye-Tracking-Technologie auch einen der vom Europäischen Patentamt vergebenen Europäischen Erfinderpreise erhielten.
Ein wichtiger deutscher IPO im Technologiesektor war 2015 der der Scout24-Gruppe. Der Ausgabewert von 30 Euro wurde zwar zunächst kurzzeitig übertroffen, dann aber doch unterboten, was Beobachter als schlechtes Zeichen für deutsche Aktien insgesamt werteten. Er liegt aber nun leicht über dem Ausgabekurs. Am 21. Dezember soll das Papier des mit gut 3,2 Milliarden bewerteten Betreibers von Kleinanzeigenmarktplätzen zudem in den SDAX aufgenommen werden.

Einem Bericht von Fortune zufolge sind europäische IPOs für Anleger zudem inzwischen attraktiver und profitabler als solche in den USA. Als einen Grund macht das Magazin ironischerweise die aktivere Venture-Capital-Szene in den USA aus. Die führe zu wesentlich höheren Beteiligungen in der letzten privaten Finanzierungsrunde. Offenbar haben da viele Angst, etwas zu verpassen. Dadurch wird der Wert künstlich aufgeblasen, der Börsengang lässt dann oft die überflüssige Luft raus.
Die Entdeckung des europäischen Marktes durch US-Investoren im Laufe dieses Jahres könnte allerdings dazu führen, dass sich die Unterschiede abschwächen. Als Beispiel nennt Fortune HelloFresh und den französischen Mitfahrdienst Blablacar, deren Bewertung durch den Einstieg von US-Investoren deutlich nach oben schnellte.