Reformdruck auf US-Patentsystem nimmt zu

Neben diversen Verbänden haben sich nun auch Rechtsprofessoren für eine Änderung ausgesprochen. Anlass sind neue Entwicklungen im Streit um die Höhe von Strafzahlungen zwischen Apple und Samsung. Bereits früher hatten Firmen wie Dell, Geoogle und Hewlett-Packard ähnliche Wünsche vorgebracht.
Nachdem Apple in dem jahrelangen Patentstreitigkeiten mit Samsung Ende Dezember eine Erhöhung der ihm Anfang des Monats zugesprochenen Zahlungen gefordert hat, bekommen die Koreaner jetzt weitere, unerwartete Unterstützung. Bereits Mitte Dezember hatte sich Samsung zur Klärung des Schadenersatzes für Design-Patente an den Obersten Gerichtshof der USA gewandt. Es geht dabei um das eigentlich Ende 2012 abgeschlossene Verfahren. Allerdings stritten sich die Parteien seitdem um die Höhe der zu leistenden Zahlungen. Stellt sich der Supreme Court auf die Seite von Samsung, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens wahrscheinlich.
Jetzt fordern diverse US-Handelsverbände wie die Computer & Communications Industry Association (CCIA), der Hispanic Leadership Fund und die National Black Chamber of Commerce, Rechtsprofessoren der Universitäten Stanford und Georgetown sowie Digital-Rights-Gruppen wie Public Knowledge und die Electronic Frontier Foundation (EFF) eine Reform des US-Patentrechts. In früheren Stellungnahmen haben sich bereits Dell, Ebay, Facebook, Google, Hewlett Packard Enterprise, HP Inc sowie die Handelskette Newegg dahingehend geäußert. Auch sie forderten das Gericht auf, die ihrer Ansicht nach bislang sehr vage und unzureichende Definition der sogenannten Design Patente – in Deutschland als Geschmacksmuster (PDF) oder eingetragenes Design bezeichnet – zu präzisieren.

Während die Hersteller sich dazu nicht weiter äußern wollten, zitiert CNET.com Lee Cheng, CEO bei Newegg mit den Worten: “Das ist ein sehr wichtiges Thema, dass auch für Millionen unserer Kunden sehr bedeutsam ist.” In der von seinem Unternehmen zusammen mit den Firmen Vizio und Pegasystems abgegeben Stellungnahme wird das oberste US-Gericht darauf hingewiesen, dass die US-Patentgesetze in ihrer derzeitigen Form letztendlich dazu führen werden, dass es für Verbraucher weniger Auswahl zu höheren Kosten gibt. “Wir sind grundsätzlich vehemente Unterstützer des Patentsystem”, erklärt Cheng. “Allerdings wird damit auch in erheblichem Umfang Missbrauch getrieben.”
Mit den nun vorgebrachten Anregungen wird Apple, das selbst am häufigsten deren Opfer ist, zwar nicht direkt als Patenttroll bezeichnet, allerdings doch in vielen Bereichen diesen Firmen gleichgesetzt. Im Gegensatz zu echten Patentrollen fertigt und verkauft Apple tatsächlich Produkte. Allerdings ist die Innovationshöhe vieler als Patent beantragter oder gar eingetragener Produktmerkmale doch recht umstritten, da sie sich letztendlich für jeden mit der Sache vertrauten Ingenieur aus der Funktion heraus ergeben. Damit hätten sie in Europa kaum Chancen, als Patent anerkannt zu werden.
Dieses Schicksal ereilte etwa im Juli 2015 die Slide-to-Unlock-Geste. Damals wies der Bundesgerichtshof Apples Berufung gegen ein Urteil des Bundespatentgerichts zurück. Den Entsperrvorgang durch bestimmt Wischgesten hält auch der BGH nicht für patentfähig.
Im Streit um die unerlaubte Nutzung von Patenten in den USA hatte Apple von Samsung im Dezember weitere 180 Millionen Dollar gefordert. Begründet wird dies mit Zusatzkosten und Zinsen. Einer Anfang Dezember erzielten Einigung zufolge soll Samsung Apple 548 Millionen Dollar zahlen, da es in Geräten der Galaxy-Reihe Patente und Designs von Apple ungefragt genutzt hat. Damit hatte Samsung die 2012 zunächst festgesetzte Summe, die etwa die Hälfte der von Apple geforderten entsprach, nochmals auf die Hälfte reduziert.
Die Patentfrage, insbesondere das Patentsystem in den USA, ist auch anderen Firmen ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt deshalb haben zum Beispiel Google und SAP im Oktober ein Patentabkommen geschlossen. Sie räumen sich damit jeweils gegenseitig das Nutzungsrecht an ihren Patenten ein. Das Abkommen deckt neben bereits erteilten auch solche Patente ab, die in den kommenden fünf Jahren beantragt werden. Kirk Dailey, bei Google für Patentverhandlungen zuständig, und der bei SAP für das geistige Eigentum verantwortliche Tony DiBartolomeo haben andere Unternehmen eingeladen, mit ihnen über vergleichbare, sogenannte Cross-Licensing-Abkommen zu sprechen.
2014 sind Google und SAP beide dem LOT Network beigetreten, dem neben Softwarefirmen wie Red Hat und SAS auch Github und Canon sowie Mazda und Ford angehören. Ziel der Organisation ist es, die Gefahr zu reduzieren, durch Patenttrolle verklagt zu werden. Die Organisation schätzt, dass die Kosten, die der Industrie durch Klagen von Patentrollen entstehen, pro Jahr bei insgesamt 29 Milliarden Dollar liegen.
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