ENISA warnt Politik vor Einschränkungen bei Verschlüsselung

Die EU-Behörde führt als Beispiele die Sicherheitslücken Freak und Logjam an, die aufgrund schwacher Verschlüsselung in Exportprodukten ausgenutzt werden konnten. Die könne aufgrund der gestiegenen, günstig verfügbaren Rechenleistung inzwischen sogar von Einzelpersonen geknackt werden.
Die European Union Agency for Network and Information Security (ENISA) hat Gesetze abgelehnt, die Einschränkungen bei Verschlüsselung vorschreiben würden, indem sie etwa eine Obergrenze für die Länge der Schlüssel vorschreiben. Außerdem hat sie sich gegen Hintertüren in Verschlüsselungssoftware ausgesprochen. Nach Ansicht der ENISA schade beides der IT-Branche und den Nutzern und helfe Kriminellen. Das geht aus einem jetzt veröffentlichten Bericht der Agentur hervor.
Darin geht die ENISA auch auf die in den Neunziger Jahren von den USA verhängten Exportbeschränkungen für starke Verschlüsselung ein. Damals sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nur Staaten über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um eine geschwächte Verschlüsselung zu knacken. Damit unterstellte er, dass die Einschränkungen bei Verschlüsselung ausschließlich den behörden zugute kommen. Inzwischen habe sich die Situation aber grundlegend geändert: “Heute ist Rechenleistung als Service ein Fakt, also gilt diese Annahme nicht mehr”, schreibt die ENISA. “Die Computing-Kosten sinken systematisch in immer kürzeren Abständen. Angriffe, die außer für Staaten für alle undurchführbar zu sein scheinen, werden dies nicht für immer bleiben.”
Die Sicherheitsbehörde verweist auch auf einen Bericht des US-Ausschusses für Wirtschaft, Wissenschaft und Transport aus dem Jahr 1999. Darin wird festgestellt, dass im Ausland entwickelte Verschlüsselungsprodukte auf demselben technischen Stand sind wie Produkte von US-Firmen. Das deute lege nahe, dass das Exportverbot letztlich einen Wettbewerbsvorteil der USA zunichte gemacht habe.
Diesen Aspekt hebt auch eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Studie der Harvard University hervor, bei der 865 Verschlüsselungsprodukte untersucht wurden. Auch sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Verbot von Verschlüsselung in den USA letztlich nur Nutzern und Firmen schaden wird, da schon jetzt die meisten Verschlüsselungsprodukte außerhalb der USA entwickelt werden. Lediglich 319 der untersuchten Produkte stammten von US-Firmen, was einem Anteil von 37 Prozent entspricht. Der Sicherheitsexperte Bruce Schneier – einer der Autoren der Studie – merkte dazu an: “Jeder, der einer Überwachung in den USA entgehen will, kann aus 546 konkurrierenden Produkten wählen.”
Die ENISA argumentiert darüber hinaus, dass die Folgen einer Schwächung von Verschlüsselung heute gar nicht absehbar sind. Beispiele seien die Sicherheitslücken Freak und Logjam, die beide durch vor mehr als 15 Jahren erlassenen Gesetzen erzwungener schwacher Verschlüsselungstechniken basierten.
Dass Verschlüsselung die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden erschwert, nimmt die ENISA in Kauf. Richtlinien zur Einschränkungen bei Verschlüsselung bedeuteten dagegen neue Risiken für IT-Infrastrukturen und Nachteile für regulierte Unternehmen, während nicht den Gesetzen unterliegende Anbieter in der Lage seien, sicherere Dienste zu niedrigeren Kosten zu entwickeln. Den europäischen Gesetzgebern empfiehlt die ENISA, weder Sicherheitsfunktionen in Computersoftware noch den Export von Sicherheitsfunktionen zu beschränken und alle bereits geltenden Auflagen aufzuheben.
[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]
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